Après-Ski
M/f Spanking, Sex, Oral
Irgendwo in den tiroler Alpen. Ein
dichter Schneesturm umtobt ein einsam stehendes altes Haus, das sich
malerisch an einen ringsum bewaldeten Hang schmiegt. Das hölzerne
Obergeschoss des Gebäudes ruht auf einem Sockel aus vermauerten
Bruch- und Feldsteinen. Der Wind rüttelt an Fensterläden und den
Dachschindeln, und man hat das Gefühl, dass das Bauwerk den
Elementen schutzlos ausgeliefert ist. Doch das Haus steht hier schon
seit fast 150 Jahren, und hat Schlimmeres gesehen.
Dennoch: der Neuschnee liegt
mittlerweile fast einen halben Meter hoch, und die Schneedecke ist
unberührt. Bis auf die Spuren von zwei Paar Skiern, die aus dem Wald
heraus, einem Forst- und Waldweg folgend bis zur Veranda des Hauses
führen. Auch diese Spuren werden in ein paar Minuten nicht mehr zu
sehen sein, wenn es so weiter schneit, doch den beiden Personen im
Haus ist das jetzt herzlich egal.
Max
Mein Blick fällt durch
das kleine, vom hölzernen Fensterkreuz in vier Quadrate geteilte
Fenster. Offenbar hat es endgültig aufgehört zu schneien. Ich kann
den jetzt wolkenlosen Himmel sehen, pechschwarz, doch gesprenkelt mit
den Lichtpunkten unzähliger Sterne. Der Mond taucht die tief
verschneiten Berge um uns herum in ein eiskaltes bläuliches Licht.
Mir wird bewusst, dass man hier oben viel mehr Sterne sehen kann, als
unten in den Städten, wo ihr dezentes Schimmern von der
allgegenwärtigen Straßenbeleuchtung übertönt wird. Inzwischen
redet man schon von Lichtsmog. Licht als schädliche Emission,
ähnlich wie die anderen Dinge, die an sich Grundlage für Leben sind
– Wärme, Licht und Nahrung, die der Mensch inzwischen in einem Maß
selbst erzeugt, dass er seiner Umwelt auf eine Art und Weise schadet,
die ihm letztendlich die eigene Lebensgrundlage entziehen wird.
Fatalistisch wie sie anmuten, sind diese Gedankengänge doch eine
willkommene Abwechslung von den anderen Themen, die aktuell sehr
drängend mein Denken dominieren.
„Ich denke, ich sollte
ins Bett gehen. Ich bin ziemlich müde.“
Beeindruckender Satz, ich
weiß. Und eine glatte Lüge obendrein, denn in Wahrheit bin ich
hellwach. Aber dieser Satz stellt das Ergebnis des der
Sternbeobachtung vorangegangenen, immerhin fast zehnminütigen
Denkprozesses dar, und etwas Besseres ist dabei nicht heraus
gekommen. Es gibt diese Momente im Leben, die kann man am Besten mit
Weggabelungen vergleichen. Menschen treffen ständig Entscheidungen,
aber die meisten fallen doch eher in die Kategorie der profanen
Alltagsalternativen. Nehme ich jetzt Pommes oder Bratkartoffeln dazu?
Manchmal weiß man selbst bei derartigen Entscheidungen, dass es
besser wäre, stattdessen die dritte Option zu wählen, nämlich den
Salat. Man kann halt auch nicht immer nach Lust und Laune
entscheiden. Oder sagen wir, die hedonistische Variante bedeutet
langfristig betrachtet nicht zwangsläufig die beste aller
Möglichkeiten.
Aber dann gibt es auch die
Art Entscheidungen, von denen ich vorher gesprochen habe. Solche, die
mehr wie Weggabeln sind. Je nachdem, wie wir wählen, bringen wir die
Geschichte auf einen anderen Pfad. Und auf diesem Pfad bleibt man
dann eine Weile. Das sind die Momente, in denen wir mit einer
einzelnen Entscheidung die Zukunft verändern - für eine gewisse
Zeit, oder möglicherweise für immer.
Und ich habe so das
Gefühl, dass diese Entscheidung hier in die zweite Kategorie fällt.
Nicht, dass die Gabelung an dieser Stelle jetzt schon offensichtlich
gewesen wäre, und vielleicht hatte Katha es auch noch gar nicht wahr
genommen. Aber wenn wir jetzt weiter hier auf der Couch im einzigen
wirklich beheizten Zimmer des alten Hauses sitzen bleiben, aneinander
gekuschelt und die Wärme des anderen genießend, wenn wir dann noch
die zweite Flasche Wein öffnen, dann kann man davon ausgehen, dass
der Rest des Abends und die Nacht später im Anschluss einen ganz
bestimmten Verlauf nehmen werden.
Aus diversen Gründen
halte ich es an der Stelle für besser, mich sozusagen erst einmal
für den Salat zu entscheiden, bevor ich mir im Klaren darüber bin,
ob ich mir an den Pommes nicht den Magen verderben werde.
Katha heißt eigentlich
Katharina, und sie ist der Anlass für diese Gedanken. Gerade fläzt
sie halb neben, halb auf mir auf dem alten Sofa, mit dem Rücken
gegen meine Brust gelehnt. Dabei beugt sie ihren Kopf zurück, um
mich von unten herauf ansehen zu können. Der Duft ihrer frisch
gewaschenen honigblonden Haare steigt mir in die Nase jedes mal, wenn
sie sich bewegt. Dann verwirbelt sie die Luft im Zimmer und dieser
Duft erzeugt weiter unten in meinem Bauch einen Knoten aus heiß
glühendem Eis.
Jetzt haben manche
Entscheidungen zudem den Haken, dass man sie so gesehen gar nicht
alleine treffen kann, weil es anders als bei der Beilagenwahl
jemanden gibt, der auch noch ein Wörtchen mitzureden hat. Pommes
treffen keine Entscheidungen für Dich. Gut, es gibt Burger, die besitzen diese Macht, vor Allem wenn gebratener Speck im Spiel ist, aber das
ist dann eine andere Sache.
„Gute Idee“, erwidert
Katha und schmiegt sich noch fester an mich. Dabei räkelt sich
genüsslich. „Zu Dir oder zu mir?“, fügt sie gurrend hinzu.
Soviel also zu der Frage, ob sie die Situation hier ähnlich
empfindet wie ich.
Den Reißverschluss ihrer
Kapuzenjacke hat sie schon vor einer ganzen Weile geöffnet, um sich
der Temperatur im Raum anzupassen. Der Kachelofen läuft ja
mittlerweile seit einigen Stunden auf vollen Touren. Unter der Jacke
trägt sie ein helles T-Shirt. Und darunter kann ich die Form ihrer
vollen Brüste erahnen. C-Körbchen, nehme ich an. Oder eher B und
ein Push-Up. Wahnsinn, was dieses früher eher drahtig zierliche
Mädchen für Formen bekommen hat. Auch das Gesicht ist der Hammer
inzwischen. Mir ist vorhin schon aufgefallen, dass sie sich die Augen
geschminkt hat - Wimpern und Lidstrich, dunkel, aber dezent.
Ansonsten ist alles Natur. Sie hat immer noch diese helle, fast
ätherisch wirkende Haut, was durch die Handvoll Sommersprossen um
ihre Nase sehr ansprechend betont wird. Ich erinnere mich an früher,
da wirkte ihre Nase immer ein bisschen zu groß in ihrem
Kindergesicht, und ihr Mund schien nur aus riesigen Schneidezähnen
zu bestehen, aber inzwischen hat sich alles zu einem ebenmäßigen
Ganzen ausgewachsen. Damals war sie süß, auf eine koboldhafte
Weise. Heute ist sie - und es fällt mir immer schwerer zu ignorieren
- schön. Auf eine fast elfenhafte Art, könnte man sagen, um im
Genre zu bleiben.
Und Stopp. Das ist genau
der Themenkomplex, den ich gerade versuche aus meinem Kopf fern zu
halten. Solange es denn noch der Kopf ist, der Entscheidungen trifft.
Denn der Knoten im Bauch ist mittlerweile explodiert, die heiß
glühenden Splitter stecken überall in meinen Eingeweiden und
verursachen im ganzen Körper ein Kribbeln, das sich gewaschen hat.
Ja, es hat sich viel verändert, seit sie ihre Pubertät endgültig
hinter sich gelassen hat, zumindest körperlich.
Und das ist genau das
Problem, also das eine Problem. Nicht ihr Alter, denn sie ist
letztens 18 geworden. Nein, es ist einfach so, dass ich dem Frieden
hier nicht so richtig trauen mag. Denn da kenne ich dieses Mädchen
nämlich auch ganz anders. Als Teenager war sie eine echte Plage. Und
selbst heute gab es so ein paar Momente, wo ich nicht wusste, ob ich
sie lieber küssen oder ihr den Hintern versohlen wollte. Vermutlich
erst das andere, dann das eine, muss ich mir eingestehen, wenn ich
ganz ehrlich bin, denn auch dieser Körperteil hat sich ausgesprochen
gut entwickelt an ihr. Und das gehört jetzt schon wieder definitiv
in den Themenbereich, an den ich jetzt nicht weiter denke. Punkt.
Ich atme tief durch, und
schüttele den Kopf, um die alles andere als jugendfreien Bilder zu
vertreiben, die sich dort zu entwickeln beginnen.
„Jeder zu sich, würde
ich vorschlagen“, entgegne ich bemüht sachlich.
„Echt jetzt? Des kannst
net ernst meinen.“ Sie kneift kritisch die Augen zusammen. Ihr
Gesicht nimmt einen ernsten Ausdruck an. Dieses ungewohnt hübsche
Gesicht mit diesen so unfassbar vertrauten Zügen.
Und hier kommen wir zum anderen, zum eigentlichen Problem: Wenn Katharina nur irgendein Mädchen wäre, das ich erst heute hier oben kennen gelernt hätte, dann hätte sie vermutlich schon lange keine Jacke und auch kein Shirt mehr an. Aber sie ist eben nicht irgendein Mädchen, das ich gerade erst kennengelernt habe. Wir kennen uns vielmehr schon seit über fünf Jahren. Sie ist Julians Schwester. Und Julian ist mein bester Freund. Er und ich haben vorletztes Jahr zusammen Abitur gemacht, und anschließend gemeinsam unseren Zivildienst „beim Kreuz“ absolviert. In weniger als zwei Monaten werden wir zum Sommersemester beide anfangen zu studieren. Er in München, ich in Berlin. Das hier ist als unsere Abschiedstour geplant gewesen. Und irgendwie habe ich so das Gefühl, dass er so gar nicht happy wäre, wenn ich mit seiner kleinen Schwester im Bett landen würde. Grundsätzlich nicht - vermutlich gibt es so etwas wie ein ungeschriebenes Gesetz, dass man nicht die Schwester seines besten Freundes fickt - und Jules im Speziellen neigt zu einem ausgeprägten Konservativismus, was solche Dinge angeht.
Und dann ist da ja auch
die Frage, wie es weiter geht. Diese Woche und auch die Zeit danach,
natürlich. Ich hoffe immer noch, dass die blöde Straße morgen
wieder offen ist. Und dann sind wir nicht mehr alleine hier oben. Ich
denke, dass es mit Katharina keine einmalige Sache wäre und ich mag
mir nicht vorstellen, wie das funktionieren soll, wenn dann ab morgen
Julian wieder da ist. Und zur Krönung auch noch als letzte im Bunde
Frau Becker, Jules' und Kathas Mutter. Wie soll der Rest der Woche
ablaufen? Julian und ich hatten viel vor. Wollten eine Tour zusammen
machen, aufsteigen bis zum Gletscher. Viel Zeit zusammen verbringen,
nur wir beide. Sorry, Jules, Deine Schwester kommt jetzt überall
mit, wie früher, erinnerst Du Dich? Ich stehe nämlich auf sie. Frau
Becker, sie können das Bett im Gästezimmer abziehen, das brauchen
wir nicht mehr, ich schlafe den Rest der Woche bei ihrer Tochter...
Ich habe ein ausgesprochen
gutes Verhältnis zu Julians und Katharinas Mum, aber den
Gesichtsausdruck, wenn Katha und ich ihr erzählen, dass wir ein Paar
sind, den mag ich mir jetzt lieber nicht vorstellen. Und das ist noch
der einfache Teil. Sollte sich hier etwas entwickeln, kommt ein ganz
anderes Problem auf uns zu. In wenigen Wochen werden uns gute 700 km
räumliche Distanz voneinander trennen. Und welche Probleme mit einer
Fernbeziehung einhergehen, weiß ich mittlerweile aus eigener
Erfahrung nur allzu gut.
„Katha, hör mal... es
war ein wirklich schöner Abend, erstaunlicherweise. Vor Allem wenn
man bedenkt, was heute schon alles für ne Scheiße passiert ist. Und
ich mag Dich wirklich“, was angesichts unserer Vorgeschichte ebenso
erstaunlich ist, denke ich mir, ohne es auszusprechen, „Aber Du
weißt ja, Jules ist mein bester Freund, und Du bist halt immer noch
seine Schwester.“
Leider gibt mir ihre
Reaktion recht, was den ersten Teil meiner Sorgen angeht. Ein Ruck
fährt durch ihren Körper, ich spüre, wie sich ihre Muskeln
versteifen, bevor sie wütend aufspringt und aus dem Zimmer stürmt.
Frau Beckers Nippes-Figuren auf dem Board am Kachelofen machen einen
Satz, als Katha krachend die Tür hinter sich zu schlägt. Ein paar
Sekunden später reißt sie die Tür erneut auf, um mir ein zorniges
„Max, Du bist so ein verschissener Feigling!“ entgegen zu
schleudern, und danach die Tür nochmals mit nachdrücklicher Wucht
zuzuschlagen. Die Figuren auf dem Brett tanzen jetzt förmlich. Ja,
genau so kenne ich sie noch von früher. Euphemistisch könnte man
das als temperamentvoll bezeichnen. Im Moment liegt mir allerdings
eher ein anderes Wort auf den Lippen. Eines, das mit Z beginnt, und
-icke endet.
Schade, dass die Stimmung
auf diese Weise zerstört worden ist. Aber gut, manches soll eben
nicht sein, und tatsächlich erhebe ich mich zwar leicht bedauernd
vom Sofa, auf dem wir die letzte Stunde beisammen gesessen sind, und
unsere neu gefundene Innigkeit genossen haben, aber mit dem
tröstenden Gefühl, letztendlich doch die richtige Entscheidung
getroffen zu haben. Es heißt ja oft abfällig, Männer denken immer
mit dem Schwanz. Bei Frauen heißt es eher, die denken mit dem Herz.
Ich halte es an sich für den besten Ansatz, zum Denken das Hirn zu
verwenden, wenn es um Entscheidungen geht, weil das nun mal das dafür
vorgesehene Organ ist.
Doch wie gesagt, ist das
Problem bei gewissen Entscheidungen manchmal, dass man sie nicht
alleine trifft, und sich darum nicht sicher sein kann, wer wann genau
was tatsächlich entscheidet. Aber bevor ich vorgreife, drehen wir
die Uhr erst einmal ein gutes Stück zurück. An einem Tag kann viel
passieren, und ohne zu wissen, was an diesem Tag alles passiert ist,
und ohne die Vorgeschichte zu kennen, ist es nicht ganz einfach zu
verstehen, wie es zu dem hier gekommen ist, und zu dem, was noch
kommen sollte, und was mir dazu alles durch den Kopf geht im Moment.
Fangen wir mit dem
Zurückstellen vielleicht mal mit dem Kalender und nicht mit der Uhr
an, also bei Julian, Katharina und mir. Julian und ich kennen uns
jetzt seit etwa fünf Jahren, seit er damals in der Zehnten neu in
unsere Klasse gekommen ist. Davor haben die Beckers in München
gewohnt, und für ihn dürfte es wohl einem umgekehrten Kulturschock
gleich gekommen sein, sich als 15jähriger plötzlich in einer
württembergischen Kleinstadt wieder zu finden. Er hat sich oft genug
darüber beklagt, nicht mehr in der Großstadt zu leben. Wobei man
das großstädtische Niveau Münchens sicher auch diskutieren könnte,
aber das ist ein anderes Thema. Sicher ist doch, dass egal in welchem
Bereich, München in einer völlig anderen Liga spielt als unser Kaff
in der schwäbischen Provinz, wohin es ihn zusammen mit seiner
Familie verschlagen hatte.
Und ich fühlte mit ihm,
glaubt mir. Ich hatte zu dem Zeitpunkt schon seit ein paar Jahren
bemerkt, wie mir meine Heimatstadt langsam aber sicher zu eng wurde,
und zu drücken begann wie ein paar alte Schuhe, aus denen man
langsam heraus wächst. Für mich war es darum geradezu eine
Offenbarung, als Julian zu mir in die Klasse kam. Endlich ein Junge,
der sich genau so wenig um Fußball, Musikverein und das Tunen von
Mofas scherte wie ich, und mit dem ich mich über all die anderen
Dinge unterhalten konnte, die jenseits der Interessen unserer übrigen
Mitschülern lagen, und deren Horizonts. Ich glaube, für uns war es
so etwas wie Liebe auf den ersten Blick. Es dauerte keine Woche, und
wir waren unzertrennliche beste Freunde.
Liebe auf den ersten Blick
ist dann vielleicht doch etwas dick aufgetragen, aber wie dem auch
sei, es erklärt vielleicht mein Unwohlsein bei der Vorstellung,
jetzt mit seiner Schwester rumzumachen. Zudem kann ich so auch auf
den anderen Punkt hinaus. Mit Katharina war es für mich nämlich
eine ähnlich intensive, wenn doch gänzlich gegenteilige Erfahrung.
Ich gebe es zu, manchmal habe ich sie regelrecht gehasst. An guten
Tagen konnte ich mich dazu durchringen, sie nur laut, anstrengend,
nervig, verzogen und alles in allem lästig zu finden. An schlechten
Tagen dagegen...
Das Problem war einfach,
wo Julian und ich waren, da wollte auch seine drei Jahre jüngere
Schwester sein. Und oft hatte er sie eben einfach offiziell an der
Backe, da Frau Becker voll berufstätig war. Ich sage es mal
vorsichtig, Katha war kein einfacher Teenager. Darum hatte sie
zunächst auch nicht viele Freundinnen in der neuen Stadt. Und aus
dem Grund versuchte sie oft, sich an uns dran zu hängen, denke ich
mir. Das wäre ja o.k. gewesen, wenn sie einfach irgendwie
mitgelaufen wäre, wie es mein kleiner Bruder ab und zu tat, aber das
war nicht Kathas Art. Oh nein, wenn Ihro Gnaden Prinzessin Katharina
irgendwo beteiligt war, dann wollte sie bestimmen, und wenn man sie
nicht ließ, gab es Ärger. Zudem suchte sie andauernd die
Aufmerksamkeit ihres Bruders. Und auch hier gab es Ärger, wenn sie
nicht bekam, was sie wollte.
Das Spektrum von Kathas
Ärger machen reichte von demonstrativem Schmollen über massive
Trotzigkeit und Wutanfälle bis hin zu der offenen Erpressung, uns zu
verpetzen. Eine Drohung, die sie mehr als einmal wahr gemacht hat.
Manchmal beschränkte sie sich auch darauf, uns nur zu ärgern oder
zu stören, bei was wir auch immer gerade taten. Wenn wir sie zum
Beispiel aus Julians Zimmer ausgesperrt hatten, unter dem Vorwand, in
Ruhe gemeinsam an einem Referat für die Schule arbeiten zu können,
um uns dem eigentlichen Projekt zu widmen (wie z.B. ein Ab-18-Spiel
an Julians PC , das für kleine Mädchen nun wirklich überhaupt
nicht geeignet war), dann konnten wir fast sicher sein, dass sie
regelmäßig an die Zimmertür hämmerte oder demonstrativ draußen
auf der Terrasse vor Julians Fenster herum lungerte.
Das änderte sich ein
wenig, als sie endlich selbst Anschluss in ihrer Klasse fand, und in
dem Maße, in dem ihre Pubertät fortschritt. Interessant, weil ein
scharfer Kontrast, waren die Phasen, in denen wir in ihren Augen
total blöd waren, und sie es vorzog, nicht mehr mit uns zu sprechen.
Einmal hat sie das einen ganzen Monat lang durchgezogen. Was habe ich
diese vier Wochen Ruhe damals genossen.
Später kam dann die Zeit,
in der sie ständig von einem Schwarm gleichaltriger Mädchen umgeben
war, die bei Beckers zuhause das Wohnzimmer okkupierten, den Zugang
zur Playstation blockierten, und die jedes mal in zwischen peinlich
berührt und hysterisch changierendes Gekicher ausbrachen, wenn
Julian und ich da auftauchten. Ich denke, auf lange Sicht war es
Julian deutlich weniger unangenehm als mir. Ich weiß mit Sicherheit,
dass er seine drei ersten Freundinnen aus diesem Pool rekrutiert hat.
Und es ist auch ein Beispiel für dieses sprühende Charisma, das so
etwas wie ein Familienmerkmal der Beckers zu sein scheint.
Wenn ich jetzt so darüber
nachdenke, habe ich das alles vielleicht doch zu einseitig
beschrieben. Tatsächlich gab es auch Tage, die wirklich gut waren.
Tage, an denen der Hormonsturm sich legte, und man mit Katharina fast
reden konnte, wie mit einem ganz normalen Menschen. An solchen Tagen
mochte ich sie sogar. Ein bisschen. Fast... Aber bereits damals habe
ich erkannt, dass sich unter dieser honigblonden Mähne und hinter
der Teenager-Prinzessinnenfassade ein ziemlich helles Köpfchen eines
durchaus liebenswerten Menschen versteckte. In der Regel gelang ihr
jedoch mit beeindruckendem Erfolg, diese Tatsache zu verbergen.
In den letzten beiden
Jahren habe ich nicht mehr viel von ihr mitbekommen. Als Julian und
ich unseren Zivildienst antraten, bekamen wir eine Dienst-WG in der
Nähe der Station gestellt. Damit entfiel die Notwendigkeit, Beckers
Wohnzimmer tagsüber als elternfreie Zuflucht zu benutzen, und ich
sah Katha allenfalls mal flüchtig, wenn ich Julian nach einem
Wochenendbesuch abholte, oder wenn man sich zufällig in der Stadt
traf. Sie war nicht mehr Teil meines Lebens, und darüber war ich
nicht unglücklich. Natürlich blieb sie Teil Julians Lebens. Und
soweit er darüber sprach, konnte man hören, dass sich das
Verhältnis der beiden stark verbessert hatte, seit er daheim
ausgezogen war. Und das sollte ich an dieser Stelle auch noch sagen,
er war da sehr froh darüber. Denn Julian liebt seine Schwester.
Nichtsdestotrotz, und das
bringt uns jetzt ein gutes Stück weiter in Richtung Gegenwart, war
ich alles andere als begeistert, als wir vor zwei Wochen die letzten
Details unseres lange geplanten Ski-Urlaubs besprachen, und Julian
mir eröffnete, dass wir nicht alleine im Haus sein würden.
Die Beckers besitzen
dieses Chalet in den österreichischen Alpen. Eigentlich ist es eher
ein alter ehemaliger kleiner Bergbauernhof, „Das Chalet“ wird es
halt im Familienjargon genannt. Ich glaube, Julians Opa hat den Hof
seinerzeit gekauft, und die Beckers haben diesen über die Jahre
renoviert und ausgebaut. Heute bietet er genug Platz für eine Gruppe
von bis zu neun Leuten. Zur Not sogar 15, wenn man sie ordentlich
schichtet. Etwas, das wir im erweiterten Freundeskreis schon oft
ausgenutzt haben. Eine Selbstversorger-Hütte, die keine Miete
kostet, in unmittelbarer Nähe eines bekannten Skigebiets, das war
für uns natürlich eine unwiderstehliche Einladung. Aber dieses Mal
wollten Julian und ich eigentlich unter uns sein. Als krönender
Abschluss dieser Lebensphase, bevor sich unsere Wege zumindest
räumlich trennen sollten. Und wir hatten viel vor, hatten wie gesagt
diese Skitour geplant, bis hoch zum Gletscher. Ich hatte mir extra
Tourenski geliehen.
Nur hatten wir das nicht
zu Ende gedacht. Es sind nämlich Faschingsferien. Für uns beide
schien es logisch, über Fasnacht zu verreisen, wir beide sind nicht
so die Fans vom euphemistisch als 'närrischer Trubel' bezeichneten
kollektiven Massenbesäufnis in unserer Stadt. Darum versuchen wir
eigentlich immer, in dieser Zeit woanders zu sein als daheim. Aber
Katharina und Frau Becker gehen halt beide zur Schule. Katharina ist
jetzt in der 12. Klasse, Frau Becker ist Lehrerin, genaugenommen
inzwischen Konrektorin, an dem anderen Gymnasium im Ort. Natürlich
sind die beiden für Urlaube auf die Schulferien angewiesen. Und
immerhin ist es ihr Haus.
Verschieben konnten wir
unseren Urlaub nun auch nicht mehr, also mussten wir wohl oder übel
der Tatsache ins Auge blicken, dass aus dem geplanten Männerurlaub
nun ein Familienurlaub der Beckers plus Max wurde. Die Vorstellung,
eine Woche unter einem Dach mit Katharina zu verbringen, dämpfte die
Vorfreude auf meiner Seite erheblich. Allerdings hatte die Sache
zumindest ein Gutes. Frau Becker war eine großartige Köchin, und
das bedeutete, das kulinarische Niveau unseres Ausflugs würde
erheblich steigen. Dazu kam, dass sie anbot, mich komplett
einzuladen, finanziell meine ich, also Reisekosten, Liftkarte und
Verpflegung. Auch für sie hatte die Sache nämlich ein Gutes. Ihr
Mann war mal wieder auf Geschäftsreise und sie selbst hasste es von
Herzen, den großen Familienkombi im Winter erst über den Arlberg
(Den Tunnel drunten durch hasste sie noch mehr), und später den
steilen Waldweg bis hinauf zum Haus zu steuern. Insofern gewannen wir
auf diese Weise eine Köchin, und sie einen Fahrdienst. Julian war
froh, die Hälfte der Fahrt auf mich abzuwälzen. Und das Skigebiet
war groß genug, dass man sich dort dann nicht auf die Nerven gehen
würde. Der einzige Pferdefuß blieb Katharinas Anwesenheit. Katha
war eine ausgesprochen gute Skifahrerin, hatte ich gehört, und so
befürchtete ich, dass sie wie früher versuchen würde, sich an uns
dran zu hängen, anstatt mit ihrer Mutter zu fahren, die es auf der
Piste eher gemächlich mochte.
Doch es sollte dann
nochmal ganz anders kommen. Was uns zum heutigen Tag bringt. Wir sind
gestern Abend hier angekommen, und Julian hat schnell festgestellt,
dass dem Haus die sechs Wochen, die es seit den Weihnachtsferien leer
gestanden hat, nicht gut bekommen sind. Das Gebäude steht soweit ich
weiß in großen Teilen schon seit über 150 Jahren hier auf diesem
Platz. Andere Teile sind jüngeren Datums, wie zum Beispiel die
Elektrik, und ich habe manchmal das Gefühl, das alte Gemäuer stößt
seine modernen Implantate einfach ab. Jedenfalls war schnell klar,
dass mit dem Strom etwas nicht in Ordnung war, und nach einer kurzen
Ursachensuche fand Jules heraus, dass es am Generator lag, das Haus
war nämlich nicht ans dörfliche Stromnetz angeschlossen worden
damals, sondern bezog seine Energie aus einem eigenen kleinen
Wasserkraftwerk ein paar Meter bergaufwärts. Und dass wir
Ersatzteile brauchen würden, die selbst in der an sich üppig
ausgestatteten Werkstatt des Hauses nicht vorrätig waren. Das
bedeutete, dass Morgen eine Fahrt ins Tal anstand, vermutlich bis
nach Imst, da Julian bezweifelte, dass er in dem kleinen Laden unten
im Dorf derart spezielle Teile bekommen würde.
Und so kam es dann
zustande, dass ich heute morgen mit Katha, und nicht wie geplant mit
Julian auf der Piste stand. Julian war wie angekündigt nach Imst
gefahren, um Teile für den Generator zu kaufen, und Frau Becker
hatte ihn begleitet, um sich für die Woche mit Lebensmitteln
einzudecken, und bei der Gelegenheit gleich eine Bekannte unten im
Dorf zu besuchen.
Katharina hatte beim
Frühstück mächtig gequengelt, dass sie doch wohl zum Skifahren
hier wäre, und Frau Becker hatte vorgeschlagen, dass Katha doch
einfach mit mir losziehen sollte. Julian hatte diesen Vorschlag für
mich überraschend unterstützt, vermutlich mit dem Hintergedanken,
dass ich ein Auge auf seine Schwester haben würde, auch wenn er sich
natürlich hütete, das auszusprechen.
Nicht anzudeuten, dass
Katha womöglich einen Babysitter nötig gehabt hätte.
Es ist schwer zu
beschreiben für jemanden, der selbst kein Wintersportler ist, dieses
Gefühl, wenn man zum ersten Mal seit fast einem Jahr wieder oben auf
einem Zweieinhalbtausender steht, die eisige, klare Februarluft
atmet, den Blick über die Weite der umliegenden Gipfel schweifen
lässt, unter sich die geschlossene Wolkendecke, die von hier wirkt
wie ein trübes Meer, und die das hässliche ausgeblichene Braungrün
der Täler und des Alpenvorlandes gnädig bedeckt. Und hier oben
alles strahlend weiß ist, bis auf die Felsen, die sich in warmen
Grautönen scharf abheben, und dem fast unwirklichen Blau des
wolkenlosen Himmels. Man kommt sich fast vor wie auf einem fremden
Planeten, spärlich besiedelt von ein paar Astronauten in ihren
Raumanzügen. Die von Aluminium, Sichtbeton und getöntem Glas
dominierte Architektur der alpinen Zweckbauten und das Design der
Pistenraupen passen übrigens hervorragend in dieses Bild.
In solchen Augenblicken
spüre ich eine innere Ruhe, die andere oft vergeblich mit grünem
Tee, Yoga oder Meditation zu erreichen suchen. Diese Ruhe hält dann
einige Minuten, bevor sie vom Kribbeln der Vorfreude verdrängt wird.
Die Vorfreude auf den Adrenalinrausch, wenn man diese glitzernden
Hänge mit gut 70 km/h hinab brettert. Ja, ich war noch nie ein
Freund von halben Sachen.
Ich bin mir sicher, Katha
hat diese Ruhe auch gespürt, denn in diesem Moment waren wir
versöhnt, haben beide unsere winterbleichen Gesichter mit
geschlossenen Augen der Februar-Sonne entgegengestreckt, und den
Moment voll ausgekostet. Dann haben wir die Brillen aufgesetzt, die
Jacken geschlossen, und sie hat mich angegrinst.
„Back mers!“ und weg
war sie, den Hang hinunter geschossen. Wenige Augenblicke später war
ich hinter ihr her, und es mag sein, dass der ein oder andere
Alpenjauchzer den Weg über meine Lippen gefunden hat dabei. Zu
sagen, ich hätte Mühe gehabt, ihr zu folgen, wäre vermutlich
übertrieben, aber ein bisschen imponiert hat es mir schon, wie sie
vorgelegt hat. Ich kenne nicht viele Mädchen, die so fahren können
wie sie.
Wir hatten die Pisten zwar
nicht ganz für uns alleine, aber es war doch ziemlich leer hier
oben. Das lag wohl daran, dass das Wetter im Tal ziemlich bescheiden
war. Und das hält die Schönwetterskifahrer und Tagesausflügler
recht effektiv fern. Zudem sollte das Wetter auch hier oben nicht
halten. Für den späten Nachmittag war ein Wetterumbruch mit Schnee
voraus gesagt. Ein Grund mehr für uns, den Tag voll auszukosten.
Mittags kehrten wir nur auf einen kleinen Snack für 20 Minuten ein,
und als am Nachmittag die Schneewolken anfingen, sich auch über uns
zusammen zu ballen, machten wir uns an die Abfahrt zum Chalet. Das
lag zwar etwas abseits des eigentlichen Skigebiets, war aber auf
zugegeben nicht ganz legalen Waldwegen von der Mittelstation aus gut
per Ski zu erreichen. Bereits auf Höhe der Station fielen die ersten
kleinen kompakten, an Styropor erinnernden Flocken und wenige Minuten
später waren wir in dicke, gelbstichige Wolken eingehüllt, was
verriet, dass es damit nicht getan wäre. Als wir schließlich das
Chalet erreicht hatten, wirbelte der aufkommende Wind die inzwischen
großen, fetten, feuchten Flocken wild durcheinander, dass ein
Epileptiker seine Freude gehabt hätte, und nun, von unten
betrachtet, zeigten sich die Wolken bleigrau und düster.
Düster war auch das
Chalet. Kein Licht in den Fenstern, kein Rauch aus dem Kamin und kein
Beckerscher Familienkombi vor der Tür. Das waren schlechte
Neuigkeiten. Denn die einzige richtige Heizung im alten Haus war ein
gewaltiger Kachelofen zwischen Stube und Küche. Der wurde mit Holz
beheizt, und musste erst einmal angefeuert werden. Und es dauerte
dann gefühlt immer Stunden, bis er seine Betriebstemperatur
erreichte.
Wir waren beide völlig
durchnässt. Von außen vom feuchten Schnee, und von innen, da der
Wetterumschwung die Temperaturen um gut acht Grad nach oben geschoben
hatte. Und die Abfahrt durch den Wald, insbesondere bei derartigen
Sichtverhältnissen war wirklich schweißtreibend gewesen.
Katharina
So, jetzt komme ich also
auch mal zu Wort hier, nachdem Monsieur sieben Seiten lang nicht auf
den Punkt gekommen ist. Ich hab mal wo gelesen, Frauen sprechen am
Tag 20.000 Wörter, Männer nur 7000, und die Hälfte davon hat mit
ihrem Stoffwechsel zu tun. Max ist da echt anders. Er spricht am Tag
ein ganzes Wörterbuch – zwei an Tagen wo er gut drauf ist.
Ja, der Max. War schon gut
heute mit ihm. Ich habe auf der Piste richtig Gas gegeben, und er hat
brav mitgehalten. Wäre schön, das zu wiederholen, aber vermutlich
wird er ab morgen wieder mit Jules unterwegs sein, und ich habe auf
die harte Tour gelernt, dass es nichts bringt, sich da mit hinein
drängen zu wollen. Schon komisch. Mit jedem von den zwein für sich
genommen kann man ganz gut auskommen. Hab ich heut auch wieder
gesehen. Aber wenn sie zusammen sind, mein Bruder und der Max, dann
ist man irgendwie automatisch immer das fünfte Rad am Wagen.
Früher war das ein echtes
Problem für mich. Nach unserem Umzug hab ich mich erst mal total
verloren und alleine gefühlt, vor Allem auch weil Mama da wieder
angefangen hat, Vollzeit zu arbeiten. Und dann kommt dieser Max
daher, und nimmt mir quasi meinen Bruder weg, meinen einzigen
Vertrauten in diesem verschissenen Kaff, in dem wir wegen Papas neuer
Stelle gelandet sind.
Papa arbeitet den ganzen
Tag, das war nichts Neues, aber Mama jetzt plötzlich auch, und der
Bruder hängt nurmehr mit seinem besten Freund ab. Die hatten sich
halt echt gefunden. Ein bisschen wie Turk und J.D., falls jemand
Scrubs kennt. Nur dass ich nicht sagen kann, wer von den beiden jetzt
Turk und wer J.D. war.
Als ich gehört habe, Max
soll mit uns ins Chalet fahren diese Ferien, waren meine Gefühle
auch eher gemischt, gebe ich zu. Da gibt es nämlich mehr als nur ein
Problem dabei.
Es kam damals, so mit 15
oder so, der Punkt, an dem sich meine Sicht der Dinge um 180 Grad
gedreht hat. Plötzlich habe ich nicht mehr den Max gehasst, weil er
mir Jules weg genommen hat, sondern meinen Bruder dafür, dass er
immer Max' ganze Aufmerksamkeit bekommen hat. Ich gebe es einfach mal
zu, ich habe doch schon für den ein oder anderen der Freunde meines
großen Bruders geschwärmt, es gab ja irgendwann eine ganze Clique
um die beiden - und ich glaub auch, das ist irgendwie ganz normales
Kleineschwesternschicksal. Aber für keinen anderen Freund meines
Bruders, eigentlich für keinen anderen Jungen überhaupt bisher,
habe ich so heftig und nachhaltig und eigentlich immer wieder aufs
Neue geschwärmt wie für Max mit seinen Wuschellocken und seinen
warmen braunen Augen. Man könnte fast soweit gehen zu sagen, ich war
den Großteil meiner Teenagerzeit ziemlich heftig verliebt in ihn.
Die Sache war halt, es hat
nicht auf Gegenseitigkeit beruht, schätze ich, und diese Missachtung
hat mich schon irgendwie verletzt. Und wie es halt so ist als
Teenager, wenn man sich in was so richtig rein steigert, wird es
davon natürlich nicht besser, sondern schlimmer. Und so wars auch
bei uns. Je mehr er mich nicht beachtet hat, desto mehr hab ich um
seine Aufmerksamkeit gebettelt, und je mehr ich ihn damit genervt
habe, desto mehr hat er mich ignoriert. Ich habe mich mehr als einmal
in den Schlaf geweint am Abend, weil ich den Tag über mal wieder in
diesem elenden Kreislauf gefangen war, den ich ja selbst scheiße
fand, aber aus dem ich einfach nicht heraus gekommen bin. Und
rückblickend, so aus der Sicht der Erwachsenen betrachtet, ist mir
einiges von dem, was ich damals abgezogen habe, heute mega peinlich.
Das hat an sich erst
aufgehört, als Julian aus- und mit Max zusammen in die WG gezogen
ist. Da war der Max dann erst einmal aus meinem täglichen Leben
verschwunden, und insgesamt ist alles besser geworden. Ich konnte
plötzlich wieder mit Julian, und ich hatte irgendwann auch meinen
ersten Freund. Alles gut, ich bin geheilt und so.
Also so gesehen an sich
kein Ding, heuer mit dem Max in den Urlaub zu fahren. Ich bin ja
jetzt erwachsen und keine 16 mehr. Denk ich mir halt so.
So, und dann holen wir
gestern also den Max ab, und in dem Moment, wo er zu uns ins Auto
steigt, und sich neben mich auf die Rückbank setzt, und ich seinen
Duft rieche und ihn ansehe, da mit seinen Locken und dem scharf
geschnittenen Profil, bin ich halt doch wieder 16. Es haut mich glatt
zwei Jahre zurück, und Zack, bin ich wieder das kleine unsichere
kichernde Teenager-Blag, das den tollen Max anhimmelt. Scheiße. Er
sieht halt echt auch noch besser aus als früher. Hat so ein
markantes Kinn bekommen. Und breite Schultern. Insgesamt eine echt
krasse Figur muss ich sagen. Seine Wuschelhaare trägt er jetzt
hinterm Kopf zu einem Pferdeschwanz zusammen gebunden.
Zum Glück merkt er es
nicht, wie ich ihn anstarre und wie mich dieser Anblick ins Mark
trifft. Merkt's nicht, weil er mit Julian redet, der im Auto vor ihm
sitzt. Klar, die haben viel zu besprechen, haben sich ja jetzt auch
immerhin fast zwei Tage nicht gesehen. Mich beachtet er natürlich
nicht. Wenigstens hab ich ein halbherziges kurzes „Hi Katha“ von
ihm bekommen. Welches ich vor lauter Verlegenheit nicht mal erwidert
habe, fällt mir gerade auf. Aber ihm ist das wurst, und so sieht er
wenigstens auch nicht, wie mein Gesicht so knallrot anläuft, dass es
überall piekst und zwickt. Wie ich völlig überwältigt von meinen
Gefühlen fast das Hyperventilieren anfange, und ein gutes Stück
kleiner werde, und wie mit dem allzu vertrauten Gefühl auch die
Erinnerung an jede einzelne kleine Peinlichkeit zurück kehrt, die
ich mir in den letzten Jahren bei ihm geleistet habe. Ein Glück
redet er jetzt mit Mama, die sich auch total freut, ihn mal wieder zu
sehen, und die ihn gründlich über seine Familie, sein wertes
Befinden und seine Zukunftspläne ausfragt, als ob sie das nicht
alles schon von Jules gehört hätte.
Und während das Auto erst
über süddeutsche, dann schweizer und zuletzt österreichische
Autobahnen dahin gleitet, normalisiert sich erst meine Atmung, und
dann im Laufe der Kilometer auch meine Gesichtsfarbe. Vor Allem, als
der Max dann ab Feldkirch nicht mehr neben mir sitzt, sondern vorn am
Steuer. Aber anstatt dass ich darüber froh bin, knie ich mich voll
rein in das Gefühl, denn ich rekapituliere in meiner ganz
persönlichen Vorhölle gefangen unentwegt die großen
Peinlichkeiten, die Top Drei meiner bisher Persönlichen Peinlichsten
Momente Mit Max.
Platz Drei war wohl sein
Blick, als meine Mum den beiden damals vier Wochen Playstation-Verbot
verpasst hat. Da müssen sie so 16 gewesen sein, und ich hatte Mama
aus Rache wegen irgendwas
gepetzt, dass sie so einen
Ab-18-Shooter gespielt haben.
Auf Platz Zwei war der
Tag, an dem Max mich halbnackt im Bad überrascht hat. Wobei ich
sagen muss, dass vor Allem er überrascht gewesen sein dürfte.
Vielleicht muss man auch dazusagen, wie es so gekommen ist. In
unserem Haus daheim gibt es nämlich zwei Bäder. Eins benutzen meine
Eltern, und eins teile ich mir mit Julian. Das Bad hat zwei Eingänge.
Einen vom Gang her, und einen direkt von Julians Zimmer aus. Normal
sperrt wer drinnen ist, natürlich beide Türen von innen zu.
An dem Tag habe ich wohl
irgendwie vergessen, die Tür auf Julians Seite abzuschließen, und
ich musste fast eine Stunde in Unterwäsche im Bad rumstehen, bevor
der Max endlich herein gekommen ist, weil er aufs Klo musste. Hatte
ich mir sexy vorgestellt. War aber dann ein mega peinlicher Moment
für uns beide.
Zum allerpeinlichsten
Moment ever komme ich dann gleich, auch hier muss ich kurz wieder die
Vorgeschichte erklären.
Das war zu der Zeit, als
ich gerade mal wieder voll auf den Max abgefahren bin, und dann kam
die Steffie ins Spiel. Steffie ist hübsch, hat grüne Augen, lange
braune Haare und ist nicht besonders groß. Aber das gleicht sie
durch ihre ausgesprochene Kurvigkeit wieder aus. Sie ging damals in
die gleiche Jahrgangsstufe wie der Max und mein Bruder, aber auf
Mamas Schule, also auf das andere Gymnasium im Ort. Und sie war ne
Schlampe. Zumindest hieß es das von ihr. Sie hatte halt früh
angefangen, und schon eine ganze Reihe Jungs gehabt, bevor sie 16
war. Und die Sache bei Steffie ist, sie redet recht offen über diese
Dinge, und hat nie einen Hehl daraus gemacht, was sie im Bett so
getrieben hat, und mit wem. In einer kleinen Stadt spricht sich so
was rum, was ihr einen bestimmten Ruf, aber natürlich auch einen
Haufen Verehrer gebracht hat. Dann lernt sie den Max kennen, und
keine drei Wochen später sind die zwei fest zusammen. Seitdem geht
sie wohl nur noch mit ihm ins Bett. Jetzt muss man sagen, dass das
dem Max natürlich auch einen gewissen Ruf eingebracht hat. Immerhin
ist er so offiziell der Mann, der die Steffie (Genau, die
Steffie) gezähmt hat. Zudem hat sie ihre Bereitwilligkeit, den
Leuten zu erzählen, was sie im Bett so alles anstellt, nicht etwa
abgelegt. Daher weiß man auch, dass der Max offenbar in der Lage
ist, ihre durchaus nicht bescheidenen Ansprüche voll zu befriedigen.
Jedenfalls hab ich ihr
Mitteilungsbedürfnis schon mal live mitbekommen auf einer
Schuldisco, als sie ein paar Freundinnen gegenüber aus dem
Nähkästchen geplaudert hat. Und ich hab ein bisschen aus der
Entfernung mit roten Ohren mitgehört. Dass er sehr gute
Anatomiekenntnisse haben soll, und selbst über eine durchaus
ansprechende Anatomie verfügt zum Beispiel. Aber auch, dass das
Beste an ihm ist, dass er echt dominant sein könnte, und dass sie
das manchmal einfach brauchen würde. Und dass er da einen ganz
bestimmten Trick hätte, mit dem er sie zum Schnurren bringen könnte,
und was sie ihm erst mal gar nicht zugetraut hätte Den Rest habe ich
dann leider nicht mehr mitbekommen, weil Steffie tatsächlich
verschwörerisch die Stimme gesenkt hat, als sie weiter gesprochen
hat.
Ich hab mir dann
wochenlang versucht auszumalen, was wohl der eher brav wirkende Max
für Tricks drauf hat, die selbst einer wie die Steffie noch peinlich
genug sind, um nicht laut darüber zu sprechen.
Apropos Steffie. Soviel
ich weiß, studiert sie seit einem Jahr irgendwo in Norddeutschland.
Ich weiß gar nicht, ob die zwei noch zusammen sind. Man müsste mal
den Julian fragen, aber unauffällig, nicht dass es so klingt, als ob
mir das wichtig wäre.
Egal, jedenfalls die
Steffie hat mir damals diese Frage in den Kopf gepflanzt, was der Max
wohl für ein Geheimnis haben könnte, und wenn ich ehrlich bin, in
meinem Kopf gab es da schon das ein oder andere Bild, was mich total
gekickt hat. Ich meine, wir haben alle unsere Geheimnisse, und in
meinem Kopf hab ich mir ausgemalt, dass Max und ich halt das selbe
Geheimnis haben. Ich hab mir oft vorgestellt, wie der dominante Max,
von dem Steffie erzählt hat, mir dieses ganze komische Rumgezicke
austreibt. Und diese Vorstellung hat mir gut gefallen damals. Aber im
Gegensatz zu Steffie kann ich über so was halt gar nicht offen
reden.
Und so kam auch die Sache
mit Hatice... Hatice war bei Max und Julian in der Klasse. Sie war
eine der ganz wenigen Türkinnen bei uns an der Schule. Sie war an
sich ein stilles und eher unauffälliges Mädchen. Das einzig
Auffällige war, dass sie unter den eh schon wenigen Ausländern bei
uns die Einzige war, die ein Kopftuch getragen hat. Aber auch das
wäre an sich kein Thema gewesen in unserem Ort, bis raus kam, dass
das Jugendamt bei der Familie war, weil sie regelmäßig von ihrem
Vater verhauen wurde. Das hat meine Ohren klingeln lassen, denn bei
uns gab es so was nur noch in Geschichten von früher. Und solche
Geschichten üben einen ganz merkwürdigen Reiz auf mich aus, seit
ich denken kann.
Aber es waren Gerüchte,
nur halt nicht besonders detailreich. Mich hat das aber fasziniert,
ich konnte mir damals gar nicht erklären wieso. Hab ich mir die
fehlenden Details halt selber in meiner Phantasie ausgemalt. Und das
hat dann zum Nummer Eins Peinlichsten Moment Meines Lebens geführt.
Irgendwie hat Mama mich an
dem Tag ausnahmsweise mit dem Auto von der Schule abgeholt, und da
zufällig der Max am Hoftor gestanden hat, als sie angekommen ist,
hat sie ihn gefragt, ob sie ihn auch ein Stück mitnehmen soll. Er
hat sich nicht zweimal fragen lassen, und so saßen wir dann zu dritt
im Auto. Mama ist auf dem Weg plötzlich eingefallen, dass sie noch
etwas in ihrer Schule hatte liegen lassen, und so hat sie auf dem Weg
dort nochmal kurz gehalten, und ist rein, ihre Sachen holen.
So sitze ich also alleine
mit dem Max im Auto, etwas, was Max an sich immer vermieden hat –
mit mir allein zu sein - und irgendwie kommt das Thema auf Hatice.
Und ich bin so neugierig und fang an, ihm deswegen Löcher in den
Bauch zu fragen. Ich wollte eben die Details wissen. Womit hat der
Vater sie geschlagen? Mit einem Gürtel? Wie krass. Und wohin? Auch
auf den nackten Popo? Musste sie sich wo überlegen oder wie?
Und während ich immer
weiter frage, und Max zunehmend irritiert antwortet, vor Allem weil
er ja auch nicht wesentlich mehr weiß darüber als ich, merke ich,
wie ich total rot werde, und mir ganz heiß wird. Und der Max, der ja
alles andere als doof ist, merkt das natürlich auch, dreht sich um,
und meint mit einem süffisanten Grinsen: „Das Thema scheint Dich
ja echt zu faszinieren. Vielleicht sollte ich Dir mal so den
Hintern versohlen, vielleicht würde das ja was helfen...“
Aber bevor mir eine
schlaue Antwort eingefallen wäre, kommt Mama zurück, und das
Gespräch ist beendet. Und hängt da jetzt so in der Luft. Allerdings
hat sich der Max noch ein paar mal umgedreht, und mich dabei so
komisch angeschaut, und ich hab mir so gedacht: „Scheiße, der weiß
jetzt wie Du tickst.“ Auf der anderen Seite hat mich Mamas Rückkehr
auch davon abgehalten, was total Dummes zu sagen, wie ein gequiektes
„Mach halt!“ zum Beispiel, was irgendwie mein erster Impuls
gewesen ist.
Ja, meine sehr verehrten
Damen und Herren, das war er, der für mich Persönlich Peinlichste
Moment mit Max. Und ich bin mir sicher, ich bin an der Stelle schon
wieder so rot im Gesicht wie vorhin, als Max sich neben mich gesetzt
hat. Manchmal hasse ich unser Familienerbe mit den blonden Haaren und
der hellen Haut. Ich kriege oft Komplimente deswegen, aber ich wette,
einer der Gründe, warum die Steffie so total unverkrampft über
solche Themen sprechen kann, ist ihr mediterran gebräunter Teint.
Man sieht es ihr einfach nicht an, wenn sie rot wird, denke ich mal.
Das sind also so meine
Gedanken und Gefühle, in denen ich so abtauche, dass ich gar nicht
mehr mitbekomme, was draußen passiert, bis das Auto plötzlich
anhält, ich auftauche, und sehe: wir stehen vor dem Chalet. Mama ist
genervt, Julian auch. Irgendwas stimmt mal wieder nicht mit dem
Strom. Ich verstehe die Genervtheit der beiden nicht so richtig. Was
haben sie denn erwartet? Irgendwie ist doch immer was, wenn wir hier
ankommen. Aber ich gebe zu, ich mache es mir da auch einfach.
Letztendlich fallen solche Probleme nie in meine Zuständigkeit, und
ich weiß auch, Julian, Mama oder Papa können sie am Ende immer
lösen. In dem Fall ist es mal ein Vorteil die Jüngste in der
Familie zu sein.
Also verdrücke ich mich
in mein Zimmer, und kuschele mich mit Klamotten inklusive Jacke ins
Bett, und da werde ich wohl erst mal bleiben, bis der Ofen gescheit
angefeuert ist. Es wird ein paar Stunden brauchen, bis die klamme
Kälte aus dem Haus getrieben ist. Im Moment hat es in der Stube grad
mal acht Grad. Draußen sind es minus zehn.
So richtig warm wird es
trotzdem nicht. Normal würde ich im Februar ins Gästezimmer
umziehen, das liegt genau über der Stube, und wird von der warmen
Luft vom Kachelofen unten mit geheizt. Leider geht das nicht wegen
Max, weil der schläft ja da. Beim Abendessen später erfahre ich
dann auch noch, dass ich mir heute keinen Heizlüfter ins Zimmer
stellen darf. Na ganz toll. Irgendwas ist wie gesagt mit der
Elektrik, und Julian kann es heute nicht mehr richten. Und Mama und
er müssen morgen runter in den Ort. Aber ohne mich. Ich bin zum
Skifahren hier. Wer weiß, ob der Schnee noch bis Ostern hält, also
muss man die Ferien voll ausnutzen. Zu meiner Überraschung versucht
Julian erst gar nicht zu diskutieren, sondern schlägt sogar vor, ich
soll den Max mit auf die Piste nehmen. Ich bin mir nicht sicher, wie
ich das finden soll, aber ich beschließe mal, dass er es nett meint,
und den Max nicht als Babysitter mitschicken will. Und irgendwie
gefällt mir die Idee, mal Zeit allein mit dem Max zu verbringen, und
zwar mit etwas, was ich saugut kann.
Etwas, was wir beide
saugut können, wie ich dann am nächsten Tag begeistert sehen kann.
Ich glaube fast, ich hatte noch nie so viel Spaß beim Skifahren.
Normal fahr ich allein, weil Julian seit ein paar Jahren nurmehr
Snowboard fährt, und weil Mama und Papa mir einfach viel zu lahm
sind. Und von meinen Freundinnen daheim kann auch keine so fahren wie
ich. Der Max und ich haben es dann so richtig krachen lassen auf der
Piste. Der Tag ist wie im Flug vergangen.
Nach einem wirklich
genialen Tag sind wir dann wieder auf der Abfahrt in Richtung Chalet.
Es schneit schon seit einer halben Stunde, und wir haben ein Problem,
und zwar ein Ordentliches. Ich glaube, dem Max ist das so nicht
bewusst, aber das hier, was da vom Himmel kommt, ist mehr als das
bisschen neuer Pulverschnee, über das er sich vorhin noch gefreut
hat. Das hier ist ein kompletter Wetterumschwung. Heute morgen hatte
es noch fast minus 15 Grad, diese typische krass trockene
Februarkälte halt. Aber im Laufe des Nachmittags ist das Thermometer
dann hoch auf nurmehr knapp unter Null. Und mit der Wärme kommt der
Schnee. Die meisten Flachländer wissen das nicht, aber es kann halt
auch zu kalt zum Schneien sein. Und wenn dann vergleichsweise warme
Luft kommt, geht’s los. Vor Allem wenn die Luft vorher trocken war,
und dann feucht wird. Was auch viele nicht wissen: wenn nasser,
schwerer Schnee auf harten kalten Altschnee fällt, und wenn es dann
auch noch windet, so wie jetzt, dann gehen im Gebirge alle
Alarmglocken an.
Es ist gut, dass wir es
heute voll ausgekostet haben, denn ich bin mir ziemlich sicher, wir
werden morgen nicht Skifahren. Ich denke mal, der Großteil der Hänge
wird wegen Lawinengefahr gesperrt sein. Und richtig, mehr als einmal
höre ich das gedämpfte Grollen eines abgehenden Schneebretts
irgendwo im Tal. Julian wird kotzen. Er ist in den letzten Jahren am
Liebsten abseits der Pisten im Tiefschnee unterwegs, und das kann er
die nächsten Tage mal so was von vergessen. Die werden alles
absperren da oben. Ihre Skitour können die zwei wohl auch knicken.
Apropos Julian... Wir sind
noch nicht mal richtig aus den nassen Skiklamotten raus, da klingelt
das Telefon im Flur. Ich geh ran. Es ist mein Bruder, und er hat es
sehr wichtig und dringend. Und im Laufe des Gesprächs wird mir dann
auch erst so richtig bewusst was für ein verdammtes Riesenproblem
wir hier gerade haben.
„Katha, endlich! Wie
schaut's aus bei Euch oben? Du hör mal, das ist jetzt richtig
wichtig, und es sind zwei Sachen.
Erstens: Ihr seids da oben
abgeschnitten. Da ist a Lawine runter gekommen und hat einen Teil vom
Weg hoch zum Chalet weggeputzt. Wir kommen nicht zu Euch rauf und Ihr
kommt da nicht weg. Ich will mir morgen mal den Land Cruiser vom
Moser leihen, wenn er ihn nicht braucht, und schauen, ob ich
hintenrum über den Schleichweg zu Euch hoch komm, aber mit dem Kombi
keine Chance die nächsten Tage.
Mama und ich bleiben heut
Nacht unten im Dorf. Die Moni hat uns ein Zimmer hergerichtet. Machts
Ihr zwei keinen Scheiß, und bleibt im Chalet. Versuchts bloß nicht,
morgen mit den Skiern irgendwo hin zu kommen. Die haben die höchste
Lawinenwarnstufe für die komplette Gegend verhängt. Im Chalet seid
Ihr sicher, das steht auf einer Art Sporn, und davor ist ein kleiner
Sattel. Die wussten damals schon, wo sie bauen können, und wo nicht.
Jedenfalls, wenn ne Lawine überhaupt bis zu Euch durch den Wald
runter kommt, geht sie im Zweifel links oder rechts an Euch vorbei.
So. Das war die eine
Sache.
Jetzt die Andere: Du
erinnerst Dich? Da hat's ein Problem mit dem Generator. Und Du weißt
ja, was passiert, wenn es viel geschneit hat. Dann läuft der eh noch
weniger rund. Und haut uns die Sicherungen raus.
Katha, das ist wichtig:
Ich hab zwar die Werkstatt und den Stadel abgeklemmt, aber der Strom
ist im ganzen Haus immer noch mega wacklig. Hängt so wenig
Verbraucher dran wie möglich, sonst hauts Euch die restlichen
Sicherungen um die Ohren, und wir haben fast keine mehr da. Ich hab
welche gekauft, aber die hab ich natürlich hier herunten im Auto
liegen. Also keine Geräte, die viel Strom ziehen. Eh klar: Keine
Heizlüfter. Und auf gar keinen Fall den alten mit dem geflickten
Kabel, der haut uns die Sicherungen schon im Normalzustand raus.
Heizts den Kachelofen
g'scheit ein, damit's warm wird und die Nacht über bleibt, und
machts Euch im Zweifel Wärmflaschen fürs Bett, aber lasst alle
Geräte aus, die mit Strom heizen. Holz hat's ja genug.
So, und jetzt hol mir den
Max an den Hörer, damit ich es dem auch nochmal erklären kann.“
Danke Jules, ich bin doch
nicht blöd.
„Max! Der Julian für
Dich. Ich geh derweil mal erst ins Bad, ja? Machst uns dann ein
schönes Feuer? Weißt eh, Feuer machen ist Männerarbeit!“
Max
Ich weiß schon, ich bin
vorhin am Anfang zu einem eher fortgeschrittenen Moment eingestiegen,
und vermutlich will man wissen, wie es weiter geht. Aber soweit sind
wir noch nicht, die Vorgeschichte ist noch nicht fertig erzählt, und
da ist es noch nicht mal richtig Abend. Genaugenommen ist es jetzt
später Nachmittag, und ich hör mir gerade an, was Jules am Telefon
zu sagen hat. Wir sind ein paar mal unterbrochen worden, die
Telefonleitung ist wohl überlastet, heißt es. Katha blockiert schon
seit sicher 20 Minuten das Bad. Ich hoffe, Madame lässt mir noch ein
bisschen warmes Wasser übrig.
„Max, hör mir zu, das
ist jetzt wichtig, bevor es uns wieder aus der Leitung haut: Ich hab
es Katha schon gesagt: Ihr dürft auf keinen Fall zu viele
Verbraucher an den Strom hängen. Und falls doch mal eine Sicherung
durchbrennt, ein paar Reservesicherungen müssten noch da sein. Das
sind so altmodische Keramikteile zum Einschrauben. Weißt wie die
aussehen? Gut. Die müssten eigentlich in der Küche im
Vorratsschrank liegen oder...“
Zack!
Das Licht ist aus, die
Leitung tot. Verdammt. Aus dem Bad höre ich einen Fluch. Dann geht
die Tür auf, und Katha steht im Flur. In ein dickes Handtuch
gewickelt, die Haare klatschnass, in der Hand einen Haarföhn und im
Gesicht ein verlegenes Grinsen.
Ich verkneife mir an
dieser Stelle besser jeden Kommentar. Aber irgendwie typisch ist es
schon.
„Sorry, mein Fehler“,
sagt sie so leichthin, „ich geh dann mal a neue Sicherung holen,
und Du könntest Dich derweil endlich ums Feuer kümmern, echt scheiß
kalt hier herinnen.“
Der alte Ofen hat einen
guten Zug, und es dauert nur ein paar Minuten, bis der Holzstoß, den
ich darin aufgeschichtet habe, lichterloh brennt. Ich öffne das
obere Verschlussgitter, so dass der Ofen zunächst heiße Luft in den
Raum bläst, anstatt die Kacheln aufzuheizen. Später, wenn man es
hier aushalten kann, werden wir das Gitter verschließen, damit die
Wärme vorhält. Katharina nickt mir anerkennend zu. Und obwohl es
mindestens zur Hälfte ironisch ist, gefällt es mir, und das gegen
meinen erklärten Willen.
„Hier, die Sicherung.
Jules meinte, ich soll Dich das machen lassen. Behandel sie mit
Ehrfurcht, es ist die Letzte ihrer Art.“ Mit diesen Worten
überreicht sie mir das flaschenförmige Stück Keramik. Ich schnappe
mir die Taschenlampe und mache mich auf den Weg die schmale
Kellertreppe runter zum Sicherungskasten. Dass es mir im Keller fast
angenehm warm vorkommt, zeigt, wie kalt es oben im Haus sein muss.
Nachdem das erledigt ist,
und das Licht im Haus wieder geht, kann ich endlich auch unter die
heiße Dusche verschwinden.
Heiße Dusche habe ich gesagt. Guter
Witz. Ich stehe hier und verfluchte den alten Ölboiler. Seit gut
einer Stunde freue ich mich jetzt auf diese Dusche, aber kaum eine
Minute nachdem ich das Wasser aufgedreht habe, beginnt die Temperatur
langsam aber stetig zu sinken. Hektisch verteile ich das Duschgel auf
dem Körper, und schmiere mir Shampoo in die Haare. Das Wasser ist
jetzt gerade noch lauwarm, Tendenz rasant fallend, unausweichlich dem
Gefrierpunkt entgegen. Ich schaffe es gerade noch, die letzten Reste
vom Shampoo aus den Haaren zu spülen, bevor das Wasser so kalt wird,
dass es auf der Haut weh tut.
Der Boiler ist nicht das einzige Ziel
meiner Flüche. Gerade könnte ich einer ganz bestimmten Person den
hübschen Hals umdrehen. Madame hat geschlagene 20 Minuten lang unter
der Dusche gestanden, und genug heißes Wasser für drei Leute
verbraucht. Typisch Das hat man dann von seiner Ritterlichkeit, der
Dame den Vortritt zu lassen.
Fröstelnd und mit einer
kleidsamen Gänsehaut bedeckt, stehe ich mit dem Handtuch um die
Hüfte auf den eiskalten Fließen, betrachte den beschlagenen
Spiegel, und beschließe spontan, auf eine Rasur mit dem eiskaltem
Wasser zu verzichten. Nicht, dass irgendjemand hier wäre, den es
interessiert.
Nach dem Tag auf der Piste
habe ich gerade angefangen, Katharina neu kennen zu lernen, und sogar
so etwas wie mögen, da bekomme ich buchstäblich wie im übertragenen
Sinne eine kalte Dusche ab. Naja, was habe ich auch erwartet?
Meine Laune bessert sich
aber schnell wieder, als ich in trockenen Klamotten das Wohnzimmer
betrete. Der riesige Kachelofen leistet ganze Arbeit. Der Raum ist
schon fast auf normaler Zimmertemperatur. Nachdem also das erste
Grundbedürfnis gestillt ist, können wir uns langsam Sorgen um das
Nächste machen. Wir haben beide einen Bärenhunger. Und daraus
ergeben sich zwei Probleme: Erstens gehört es zur Routine der
Beckers, nur das Allernötigste mitzubringen, und alles weitere vor
Ort einzukaufen. Und das wollte Kathas Mutter eben heute erledigen,
was heißt, die frischen Lebensmittel befinden sich jetzt unten im
Auto und nicht hier oben bei uns. Und das zweite Problem ist das mit
der Elektrik. Jules hatte sich klar ausgedrückt: keine Geräte
verwenden, die mit Strom heizen, das beinhaltet natürlich Dinge wie
Herd oder Wasserkocher. Und Katha hat ja vorhin bekanntlich die
vorletzte Sicherung geschossen mit ihrem Scheiß-Föhn. Keiner von
uns hat Lust, den Rest des Abends im Dunkeln zu verbringen, darum
gehen wir besser auf Nummer sicher.
Das Lebensmittelproblem
ist schnell gelöst. Haltbare Sachen lagern die Beckers hier oben
schon mal ein. Und eine kurze Plünderungstour durch die Speisekammer
bringt ein paar Packungen Nudeln, einige Konservendosen mit Tomaten
und passende Trockengewürze zum Vorschein. Wir können sogar eine
Flasche Olivenöl und ein paar vertrocknete Knoblauchzehen
auftreiben. Nudeln mit Tomatensauce ist so ziemlich das einzige
Kochrezept, das ich beherrsche. Allerdings müssen Sauce und Nudeln
trotzdem irgendwie kochen.
Und da kommt mir die
grandioseste Idee des bisherigen Tages. Im Sommer waren wir ja auch
schon zum Wandern hier oben, und ich weiß daher, dass es irgendwo
eine vollständige Campingausrüstung geben muss. Inklusive tragbarem
Campingkocher. Jetzt ist Camping oder Wandern so gar nicht Katharinas
Welt, aber nach ein paar Minuten Suchen, und weiteren Minuten
gründlichen Nachdenkens findet sie den richtigen Schrank. Und jetzt
haben wir zwei funktionierende Gaskocher, sogar mit Ersatzkartuschen.
In der Küche gibt es noch einen alten funktionstüchtigen Kamin, so
dass ich nicht im Freien kochen muss.
Und als eine gute halbe
Stunde der herzhafte Geruch einer improvisierten Tomatensauce durchs
Haus zieht, bringt mir das ein weiteres, dieses mal sogar
hundertprozentig ernstgemeintes anerkennendes Nicken ein.
Katharina
So. Gegessen ist. Und warm
ist auch. Und der Max hat vor ner halben Stunde nochmal eine Ladung
Holz in den Kamin gegeben. Vielleicht haben wir es übertrieben. In
der Stube ist es jetzt fast bisschen zu warm.
„Ich glaub, es hat aufgehört mit
schneien. Kommst mit auf die Veranda, nachsehen?“, schlag ich ihm
vor.
„Klar. Bisschen frische Luft schadet
sicher nicht. Vor Allem, wenn man sie durch einen Filter zieht.“
Der Max erhebt sich also von der Couch.
Das dauert gefühlt eine ganze Weile. Ist immer irgendwie lustig zu
sehen, wie er sich so auseinander faltet. Beim Rausgehen bückt er
sich routiniert durch die Tür zum Flur. Da an dem Rahmen hat er sich
schon die ein oder andre Beule eingefangen über die Jahre.
Vermutlich kann man inzwischen auch im Holz vom Türrahmen eine Macke
erkennen an der Stelle, wenn man sich die Mühe machen würde,
nachzusehen.
Ich folge ihm, und kann mir ein Grinsen
nicht verkneifen. Max und das Chalet sind wohl nicht nach dem selben
Maßstab gebaut worden. Zuhause wirkt er schon recht imposant mit
seiner Größe, muss ich sagen, aber hier oben kommt er mir manchmal
so vor, wie Gandalf zu Besuch in Bilbos Hobbithöhle.
Als wir im Flur stehen, springt der
Bewegungsmelder an, das Außenlicht erstrahlt über die Veranda und
man sieht, wie hoch der Schnee schon liegt.
„Vorsicht, dass es uns nicht den
ganzen Schnee herein weht“, mein ich noch zu ihm, als er die
Eingangstür aufmacht. Wow. Der frisch gefallene Schnee bildet eine
richtige grade Kante vor der offenen Tür, gut 60 cm hoch. Natürlich
wirbelt's uns ein paar vereinzelte Flocken herein. Der Schneesturm
ist wohl erst mal vorbei, aber der Himmel ist noch nicht fertig mit
uns. Die Wolken hängen immer noch dicht und tief. Trotzdem kommt mir
die Luft kalt und schneidend vor nach der warmen Stube.
Max stakst und stapft durch den mehr
als kniehohen Schnee zur Bank unter dem Vordach. Er wischt mit dem
Jackenärmel den Schnee beiseite, und legt die alte Wolldecke hin,
die wir mit raus gebracht haben. Er bietet mir ganz charmant einen
Platz. Dann setzt er sich neben mich nieder, greift quasi direkt in
die Tasche seines Anoraks und zaubert eine Schachtel rote Gauloises
hervor.
Da sitzen wir dann also beieinander und
versuchen im Dunkeln irgendwie zu erkennen, wie es um uns herum
ausschaut. Ein bisschen gruselig ist das nämlich schon, wenn man
bedenkt, dass da vorhin eine Lawine keinen Kilometer weiter
abgegangen ist, und den Weg zum Haus hier mitgerissen hat. Ich tippe
den Max an, und deute auf die rote Schachtel in seiner Hand. Er
zögert kurz, hält sie mir dann aber hin. Ich nehme mir eine
Zigarette heraus, stecke sie mir zwischen die Lippen, und beuge mich
auffordernd zu ihm. Er zündet zuerst meine Zigarette an, dann seine.
Er inhaliert den ersten Zug tief, bläst
den Rauch durch die Nase wieder heraus, und grinst mich dann
schelmisch an. „Weiß Dein Bruder eigentlich, dass Du rauchst?“
Dabei zieht er eine Augenbraue hoch. Ziemlich überheblich, wie ich
finde.
„Ich bin 18, und kein Kind mehr,
check das endlich mal, und es geht Julian einen alten Scheiß an, ob
ich rauche, oder nicht!“, patze ich zurück. Shit. Ich sehe, wie er
buchstäblich zusammen zuckt.
Von Null auf Zicke in drei Sekunden.
Aber das war halt wieder so einer von diesen Sätzen, die er
vereinzelt fallen gelassen hat heute schon den ganzen Tag über, und
die mich langsam aber sicher zur Weißglut bringen. Die Sätze halt,
in denen durchkommt, dass ich für ihn immer noch die kleine
Schwester von Julian bin. Und nicht... ja, was eigentlich? Da bin ich
mir noch gar nicht recht sicher, aber eines weiß ich: Ich bin 18,
verdammt, kein Kind mehr, und ich will auch sicher nicht dauernd wie
eines behandelt werden, und das schon dreimal nicht von Max. Aber es
ist halt wieder genau dieses blöde alte Muster. Also reiß ich mich
jetzt zur Abwechslung mal besser zusammen.
„Er weiß es also nicht, hab ich
Recht?“, schiebt er süffisant nach. Julian, muss man dazu sagen,
ist ein dogmatischer Nichtraucher. Der einzige in deren ganzem
Freundeskreis. Aber wenigstens nimmt Max mir meinen Ausbruch nicht
krumm.
„Nein, und das ist sicher nicht das
einzige, was er nicht von mir weiß. Und auch nicht zu wissen
brauch“, füge ich noch hinzu.
Der Max dreht sich wieder her zu mir,
und hebt erneut die Augenbraue. Ich schwör, der hat das extra für
so Situationen vor dem Spiegel geübt. „Aha? jetzt werd ich aber
neugierig. Was hast Du denn sonst noch für dunkle Geheimnisse,
Katha? Hast Du vielleicht einen heimlichen Freund?“
„Nein, nicht mehr. Wir haben Schluss
gemacht“, entgegne ich ein bisschen verlegen, weil er mich jetzt
völlig auf dem falschen Fuß erwischt hat. Und nein, Julian wusste
da tatsächlich auch nix davon. Das ist einer der Vorteile, dass er
nicht mehr da wohnt, und Mama hat es auch irgendwie geschafft, ihm
das zu verschweigen.
„Tut mir leid. Geht mich ja auch
nichts an.“
„Schon o.k. Übrigens muss
Jules das nicht wissen. Seit er nicht mehr bei uns wohnt, hat er
einen ganz komischen, überzogenen Beschützerinstinkt mir gegenüber
entwickelt, der echt nervt manchmal. Ich mein, grad er. War mit
mindestens zwei von meinen Freundinnen im Bett bisher. Und dann kommt
er mir so von wegen 'eben, ich weiß doch, wie Mädels in Deinem
Alter ticken.'“
„Alles klar, von mir erfährt er
nix.“ Wieder dieses Grinsen.
„Und Du? Noch mit Steffie zusammen?“
Er schließt die Augen, nimmt einen
tiefen Zug, und schweigt einen Moment. Er nimmt eine Hand voll Schnee
vom Tisch, und lässt ihn zwischen seinen Fingern herab rieseln.
„Jein“, antwortet er dann
schließlich.
„Jein? Was soll das heißen?“
„Naja, seit sie in Hamburg studiert,
ist es ein bisschen schwierig geworden, sich regelmäßig zu sehen,
insbesondere mit meinem Zivildienst und so. Und Du weißt ja, wie sie
ist. So lange ohne Sex hält sie es nicht aus, meint sie. Also haben
wir uns letzten Herbst einvernehmlich getrennt. Aber als sie jetzt
Weihnachten daheim war, sind wir am 26. mit den ganzen Leuten aus dem
Jahrgang einen trinken gegangen, und danach sind Steffie und ich
irgendwie wieder zusammen im Bett gelandet, und bis Neujahr hat sie
quasi bei uns in der WG gewohnt. Im Moment würde ich es als offene
Beziehung bezeichnen, oder als Fickfreundschaft. Ähm Sorry.
Jedenfalls will sie gerade nichts Festes mit mir, sagt sie. Es gibt
da wohl auch jemanden in Hamburg.“
„Oh. Klingt kompliziert. Ganz schön
doof von ihr, wenn Du mich fragst“, rutscht es mir raus. Da kommt
es wieder. Das Gefühl, wie ich rot anlaufe. Schnell frag ich ihn:
„Und Du? Liebst Du sie noch?“
„Diese Frage möchte ich ebenfalls
mit einem klaren „Jein“ beantworten. Sie ist immer noch ein sehr
besonderer Mensch für mich, aber ich sehe eigentlich keine echte
Zukunft. Wir haben uns auseinander entwickelt, und wollen zu
verschiedene Dinge. Weißt schon: Studium, Karriere und das ganze
Zeug. Aber loslassen können und wollen wir uns auch irgendwie
nicht.“
Soso, der Max ist also nicht mehr fest
mit der Steffie zusammen. Wenn das nicht mal die Nachricht des Tages
ist. Klar, dass der Julian die wirklich wichtigen Updates mal wieder
verschwiegen hat.
Es fängt erneut an zu schneien, kaum
dass wir fertig geraucht haben. Und ich merke, wie ich anfange zu
frösteln. Ich ziehe meine Jacke enger. Was ihm nicht entgeht. „Dir
ist kalt, oder? Lass uns wieder rein gehen.“ Und da ist er wieder
im Gentleman-Modus.
Aber mir ist draußen wirklich kalt
geworden. Und ich hab eine Gänsehaut. Aber mehr vor Aufregung, glaub
ich. Bevor ich in die warme Stube zurück gehe, muss ich aber schnell
nach oben, was erledigen. Als ich kurz darauf ins Zimmer komme, setze
ich mich nicht mehr in meinen Sessel wie vorhin, sondern neben ihn
auf die Couch. Als er merkt, wie ich zitter, nimmt er mich ganz
selbstverständlich in den Arm, um mich zu wärmen. Und das hilft
zwar gegen die Kälte und das Zittern, aber die Gänsehaut legt eher
noch einen Zahn zu. Als er mich wieder los lässt, bleib ich an ihn
gekuschelt sitzen.
Es ist einfach wunderschön so mit ihm
da zu sitzen. Schon komisch, da muss erst eine Lawine runter kommen,
damit ich den Max mal für mich habe. Ich glaube ja nicht an Konzepte
wie Schicksal oder so was, aber an eines glaub ich schon. Manche
Chancen kommen nur einmal im Leben, und darum muss man zuschlagen,
wenn sie sich bieten. Und diese Chance jetzt lass ich mir sicher
nicht entgehen. So wie es sich gerade anfühlt, wird er schon
mitspielen. Und wenn nicht, habe ich noch ein paar Asse am Ärmel,
von denen er nichts weiß. Aber erst einmal die subtile Variante.
Schritt Drei: „Du, ich glaub ich hab
vorhin ein paar Flaschen Rotwein im Vorratsschrank gesehen. Sollen
wir uns eine davon aufmachen?“
Schritt Vier: „Ganz schön warm hier
herinnen, oder?“ Ich mach den Reißverschluss meiner Kapuzenjacke
auf, und bringe damit quasi meine besten Argumente deutlich zur
Geltung. Was ihm nicht entgeht. Der Anblick scheint ihm zu gefallen,
und er kommt ins Grübeln. Ich schwöre, mittlerweile sieht er mich
mit anderen Augen. Gut. Und wenn es jetzt doch noch irgendwie schief
laufen sollte, habe ich noch eine kleine Überraschung in der
Hinterhand.
Aber wie es halt so ist, ganz so
einfach wie ich mir das vorgestellt habe, läuft es nicht. Der Max
gibt ja wie schon mal erwähnt gern den Gentleman. Darum lieben ihn
auch alle so. Mir gefällt das auch an ihm. Aber es ist auch ein
Problem. Wir sitzen schon eine ganze Weile so zusammen auf dem Sofa,
unterhalten uns über alles mögliche, und haben die Flasche Wein
nebenher ziemlich dezimiert. Und jedes mal, wenn ich einen Schluck
nehme, rutsche ich danach etwas mehr an ihn hin. Es scheint
eigentlich, als hätte ihm das gefallen, aber in den letzten zehn
Minuten oder so ist er sehr still geworden, und starrt zum Fenster
raus. Ich spüre, dass er gleich etwas sagen wird, und ich gehe zu
60% davon aus, dass es was Dummes sein wird. Anständig, aber dumm.
Darum bin ich etwas angespannt gerade, und überlege mir, wie ich am
besten reagiere, um ihn wieder in die Spur zu bringen.
Aber was er dann tatsächlich sagt, ist
so dumm, und erwischt mich so auf dem falschen Fuß, dass es mich so
wütend macht, dass ich den ganzen schönen Plan ruiniere.
„Du weißt ja, Jules ist
mein bester Freund, und Du bist halt immer noch seine Schwester.“
Und das geht halt genau
wieder in die Kerbe, die er beiläufig schon den ganzen Tag
bearbeitet hat, und die echt wund ist, mittlerweile. Ich spüre den
Zorn in mir aufsteigen, und bevor ich mich versehe, bin ich
aufgesprungen und zur Tür raus. So ein verschissener Feigling! Was
ich ihm auch entgegen brülle, als ich die Tür noch einmal aufreiße.
Und danach erneut zuknalle, dass man es bis ins Tal gehört haben
dürfte. Ich bin so wütend auf ihn. Ich stürme die Treppe hinauf in
mein Zimmer, und die Kälte trifft mich wie ein Hammer. Wenigstens
bringt sie mich auf den Boden zurück. Denn ich habe hier mehr als
ein kleines Problemchen. Mein toller Schritt 2 hat sich nämlich
gerade womöglich als fettes Eigentor entpuppt. Scheiße.
Max
O.k., ich gebe es zu,
diesen Ausbruch hätte ich so nicht erwartet. Und jetzt, wo sie zur
Tür raus ist, fühlt es sich auf einmal doch sehr leer an in diesem
Raum. Und ich muss es zugeben, ich verspüre ein gewisses Bedauern,
dass es so gelaufen ist. Der Abend war wirklich schön. Gerade auch
mit ihr. Und ich fürchte, ich muss es mir eingestehen, ich stehe ein
bisschen auf sie. Also ja klar, das war ja auch der Grund, warum ich
die Notbremse reingehauen habe. Aber ihre letzten Worte hallen in
meinen Ohren nach, und ich frage mich, ob sie vielleicht nicht sogar
ein bisschen recht hat. War diese ganze Vernunft, die ich vorschiebe,
womöglich tatsächlich vielleicht ein ganz kleines bisschen von
Feigheit motiviert in Wahrheit?
Denn ja, die Situation hat
etwas Beängstigendes für mich. Und ich kenne das schon, manchmal
neige ich dazu, in solchen und ähnlichen Situationen, insbesondere,
wenn Veränderungen anstehen, zu sehr darauf zu achten, Das Richtige
zu tun. Und das heißt, gemocht zu werden, anstatt das zu tun, worauf
ich selber Bock hätte. Und ich habe vorhin irgendwie hauptsächlich
an Julian und Frau Becker gedacht bei der Entscheidung, und weniger
an die beiden Personen, die es hauptsächlich was angeht, nämlich
Katharina und mich. Und dann ist da ja auch noch die andere Sache,
wegen der ich immer schon Hemmungen hatte, Mädchen wirklich nah an
mich heran zu lassen. Vor Steffie schon. Und nach ihr sowieso.
Berechtigter Selbstschutz oder Feigheit? Auch darüber könnte man
sich streiten.
Jetzt denke ich immer
noch, dass ich an sich richtig entschieden habe, weil man solche
Dinge nicht überstürzen sollte, aber der vernünftige Weg wäre
gewesen, mit ihr über das zu reden, was mich beschäftigt, anstatt
sie einfach vor die vollendeten Tatsachen eines zu Ende gedachten
Gedankenprozesses zu stellen. Also erhebe ich mich, um genau das zu
tun. Mit Katharina ein vernünftiges, ergebnisoffenes Gespräch zu
führen. Mal ein ganz neuer Ansatz im Umgang mit ihr. Sofern sie mich
lässt, natürlich. Denn Junge, war die sauer, als sie hinaus
gestürmt ist.
Und da sind wir wieder am
Anfang, denn das war trotz Allem eine Überreaktion, die mich auch
wieder in meiner Haltung bestätigt, dass es keine gute Idee wäre,
sich hier überstürzt auf etwas einzulassen. Aber irgendwie, und das
ist dann wieder die andere Seite, löst dieser Emotions-Overdrive
auch etwas bei mir aus. Irgendwie ist es halt auch süß. Ich weiß,
das klingt komisch, aber Steffie hat einen Hang zur na ja, ich nenne
es mal gelassener Abgebrühtheit. Und das Impulsive von Katha hat
etwas Erfrischendes, muss ich mir eingestehen.
Ich drehe mich im Kreis.
Es ist zum Aus der Haut fahren. Ich wünschte echt, ich hätte den
Wein nicht getrunken vorher. Ein klarer Kopf wäre jetzt wirklich
eine gute Sache.
Also steige ich die
knarrenden Stufen der alten Holztreppe hoch in den ersten Stock zu
den Schlafzimmern. Und ich merke, wie es kalt wird. Scheißkalt.
Klar, im Gegensatz zur überheizten Stube unten, muss es einem hier
kalt vorkommen, aber es sollte keine gefühlten Minusgrade haben.
Weiter vorne sehe ich eine sichtbar bestürzte Katharina schlotternd
im offenen Türrahmen ihres Zimmers stehen.
„Katha, was ist denn
hier los?“, frage ich sie, während mich da so eine gewisse
Vorahnung beschleicht. Und richtig. Ich blicke an ihr vorbei ins
Zimmer, und sehe beide Fenster weit offen stehen. Da wurde sogar ein
bisschen Schnee herein geweht, der auf dem Boden unter den Fenstern
jetzt einen glitzernden kleinen Haufen bildet. Im Zimmer herrscht
folglich die selbe Temperatur wie draußen auf der Veranda.
„Ich... Ich wollte
vorher nach dem Duschen kurz lüften, weil's so stickig war hier
herinnen, und dann hab ich wohl vergessen die Fenster wieder
zuzumachen.“
Jetzt mag ich ein bisschen
schwer von Begriff sein manchmal, und hin und wieder habe ich auch
Angst vor der eigenen Courage, aber ein Idiot bin ich nicht. Ich
lasse den Anblick ein paar Sekunden auf mich wirken, während ich
eine zur Temperatur im Zimmer passende kalte Wut in mir hochsteigen
fühle.
„O.k., Katha. Ich wollte
mich eigentlich bei Dir entschuldigen, und Dir anbieten, nochmal zu
reden wegen vorhin, aber das hier setzt wirklich allem die Krone auf.
Erzähl keinen Scheiß. Als Du aus der Dusche gekommen bist, hat es
noch geschneit und gestürmt wie blöd. Aber hier liegt nur ein
kleiner Haufen Schnee. Außerdem saßen wir vorhin auf der Veranda
genau unter Deinem Fenster beim Rauchen. Der Rauch wäre hier rein
gezogen. Aber ich rieche keinen Rauch. Vermutlich wären mir die
offenen Fenster von unten aus auch aufgefallen. Ne. Du hast das
Fenster vorhin aufgemacht, und absichtlich offen stehen gelassen, als
wir vom Rauchen wieder rein sind, und Du kurz oben warst. Und ich
sage Dir noch was: In dem Gespräch auf der Veranda hast Du
rausbekommen, dass ich wieder solo bin. Und dann hast Du Dein eigenes
Zimmer unbewohnbar gemacht, um Dich zu mir einladen zu lassen, ins
schöne warme Gästezimmer. Weil Du wusstest, dass ich Dich nie in
einem eiskalten Zimmer hätte schlafen lassen. Stimmt doch oder?“
Ihr Blick sagt alles.
„Du hast sie doch nicht
mehr alle. Du bist 18! Du darfst wählen gehen und einen Führerschein
machen. Du wirst sauer, sobald Du das Gefühl hast, jemand behandelt
Dich wie ein Kind, das man ja paar mal gemerkt heute. Und dann ziehst
Du so eine Nummer ab? Ich mein, ich fühle mich geschmeichelt und so,
aber grad bist Du echt wieder wie damals. Und ganz ehrlich, im Moment
juckt es mich in den Fingern, Dich wirklich wie ein Kind zu
behandeln. Ein verzogenes unartiges verantwortungsloses Kind. Und
Dich wie ein kleines unartiges Mädchen übers Knie zu legen, und Dir
so den Hintern zu versohlen, dass Du ne Woche nicht sitzen kannst!“
O.k., das war jetzt hart.
Ich sehe, wie sie knallrot anläuft, und wie ihr die Tränen in die
Augen schießen. Und mein Ausbruch tut mir auch schon wieder leid.
Offenbar habe ich mit meiner Vermutung nämlich ins Schwarze
getroffen, und ich gehe mal davon aus, dass das Ganze wirklich
peinlich sein muss für sie. Da hätte ich auch mal sensibler
reagieren können. Aber es hat mich echt getriggert. Denn das hier
ist die gute alte Katharina Becker in Reinkultur. Und ich hasse
dieses Manipulieren hintenrum.
„O.k. sorry, Katha. Ich
wollte Dich nicht anschreien. Ich sag Dir was. Ich nehme mein Zeug,
und leg mich im Wohnzimmer auf die Couch. Du kannst das Gästezimmer
haben.“
Ich weiß nicht, was ich
erwartet habe an Reaktion. Dass sie es hin nimmt, dass sie mich
zurück anschreit, aber womit ich nicht gerechnet habe, ist das hier.
Sie holt tief Luft, und sagt dann gefasst, und mit eiskalter
Grabesstimme: „Weißt Du was? Fick Dich, Max. Nimm Deine ganze
verfickte Gentlemanattitüde, roll sie auf, und schiebe sie Dir in
den Arsch. Ich habe es gar nicht nötig, dass Du mich gut findest,
und ich hab's schon dreimal nicht nötig, mich jetzt so gönnerhaft
von Dir als Klein-Blödi behandeln zu lassen. Und Deine Almosen
kannst Du Dir auch in den Arsch schieben, falls da noch Platz ist.
Ich verstehe mich selbst nicht. Ich dachte echt, da wär was zwischen
uns. Ich dachte, Du hättest Dich geändert, aber Du bist noch der
selbe arrogante überhebliche Scheiß-Besserwisser wie damals. Schlaf
doch, wo Du willst, aber verpiss Dich aus meinem Zimmer!“
Die letzten Worte klangen
wie das Zischen einer Echse. Wow. Harte Ansage. Und ganz schön
anmaßend, wenn man bedenkt, wie wir hierher gekommen sind. Aber ich
muss sagen, ich bin froh, dass die Fronten geklärt sind. Und auch
wenn ich erst einmal schlucken muss, angesichts dessen was, und vor
Allem wie sie es gesagt hat, ein bisschen imponiert hat es mir schon.
Bevor sie mir nach diesen Worten noch
handfestere Dinge an den Kopf werfen kann, räume ich das Feld, und
ziehe mich ins Gästezimmer zurück. Meine Almosen will sie ja nicht.
Gut, dann soll halt sie auf dem Sofa pennen. Ihr Zimmer ist nämlich
in der Tat unbewohnbar so wie es ist.
Aber Starrsinn, Dein Name ist
Katharina. Ich höre es draußen auf dem Flur rumpeln, und ein paar
Minuten später erneut. Als es ein drittes mal rumpelt, kann ich
meiner Neugier nicht länger widerstehen und öffne die Tür. Dort
sehe ich Katha in mehrere Lagen aus Pullis gehüllt, einen uralten
Heizlüfter in Richtung ihres Zimmers schieben. Doch das Ding ist
widerspenstig. Eines der Räder ist blockiert. Offenbar hat sich das
Kabel darin verfangen. Ein altes textilumwobenes Kabel mit einer
sichtbaren Flickstelle aus Isolierband. Ich halte das für eine sehr
schlechte Idee, aber nachdem ich Kathas Blick sehe, verkneife ich mir
jeden Kommentar.
Sie wird schon wissen, was sie da tut.
Haha, guter Witz. Ich rechne mit dem Schlimmsten, und auf dem Weg
nach unten zum Zähneputzen sammele ich vorsorglich eine Taschenlampe
ein. Nach etwas Nachdenken mache ich zur Sicherheit auf dem Weg
zurück nach oben noch einen Abstecher in die Küche, und besorge mir
eine Ladung Kerzen.
In meinem Zimmer ist es schön warm.
Die Wärme vom Kachelofen in der Stube direkt unter mir zieht durch
die dünne Decke bzw. den dünnen Boden hier hoch, und heizt das
Zimmer. Im Winter ist das eine gute Sache. Zu anderen Jahreszeiten
etwas unpraktisch. Auf dem Fensterbrett und ein paar anderen
Ablageflächen stelle ich die mitgebrachten Kerzen auf, und zünde
sie an. Das gibt ein schönes, gemütliches warmes Licht. Fast
romantisch. Nicht, dass hier gerade irgendwer in Stimmung für
Romantik wäre. Aber manchmal sind Kerzen auch ein Ausdruck von
Pragmatismus. Ich ziehe mich aus, und lege mich in Boxershorts und
T-Shirt aufs Bett. Und dann starre ich an die Decke und warte auf das
Unvermeidliche.
Aber Ruhe finde ich keine. Denn während
ich da liege und starre, spüre ich wie die Wut zurück kommt. Und
mit ihr ein schlechtes Gewissen. Klar bin ich wütend auf Katha. Das
war schon ganz schön durchtrieben. Und entsetzlich blöd. Aber wenn
ich dann doch noch mal ganz kurz ehrlich zu mir bin, habe ich mich
selbst auch ganz schön wie ein Arsch verhalten. Da hilft es auch
nichts, dass ich mich total gut hinter der Vernunft verstecken kann,
und in jedem Prozess vor dem eigenen Gewissen stur darauf beharren
kann, das Richtige getan zu haben. Es fühlt sich trotzdem scheiße
an. Ich wollte, dass alles so bleibt wie bisher, aber ich habe eine
Chance vertan, dass alles besser hätte werden können. Kompliziert,
sicher, aber besser. Ich hätte sie jetzt gerne hier neben mir. Und
beim Gedanken, wie sie jetzt trotzig drüben allein im eiskalten
Zimmer liegt, um sich einen Rest Würde zu bewahren, vor mir, aber
auch vor sich selbst, zieht sich mir der Magen zusammen.
Und dann trifft mich unvermittelt noch
mal die Erkenntnis: Katharina Becker steht auf mich. Und ich ertappe
mich dabei, dass mir der Gedanke gefällt. So sehr, dass ich eine
zuckende Reaktion in meinen Boxershorts spüre. Denn verdammt, ich
weiß nicht woher das kommt, aber ich stehe wohl auch auf sie.
Und sie hat Recht. Ich bin ein
arrogantes Arschloch manchmal, aber vor Allem bin ich ein Feigling.
Sie weiß gar nicht, wie Recht sie hat. Sie weiß nicht, warum es mit
Steffie letztendlich aus ist, woher auch, ich habe es ihr nicht
erzählt. Und sie weiß nicht, dass es mit einer der Gründe ist,
warum ich sie nicht näher an mich heran lassen wollte. Genau so
wenig wie irgendein anderes Mädchen im vergangenen Jahr übrigens.
Weil ich Angst davor habe, nochmal zu erleben, was ich mit Steffie
erlebt habe, als ich endlich so weit war, mich ihr wirklich zu
öffnen. Der Grund, warum wir dann erkannten, dass wir trotz allem
eben leider doch nicht zusammen passen. Weil ich ein Perverser bin.
Es gibt da eben diese Dinge, ohne die ich glaube ich nicht leben
möchte, mit denen sie aber halt leider überhaupt nicht leben kann.
Und dabei ging es nicht um Studium, Karriere, Familienplanung oder
solche Dinge. Über solche Sachen haben wir uns dann letztendlich
auch gestritten, natürlich. Aber der Keil, der diese Streits erst so
bitter hat werden lassen, war ein anderer. Und ich frage mich gerade
ganz ehrlich, ob es mit Katha da nicht anders wäre. Es gab da immer
mal wieder so ein paar Hinweise, die so etwas vermuten lassen.
Sachen, die sie gesagt hat. Wie sie auf Dinge reagiert hat, die ich
gesagt habe. Kann es sein, dass die süße keine unschuldige aber
immer so freche Katharina genauso pervers ist wie ich? Vielleicht
habe ich eine wirklich große Chance sausen lassen, wer weiß. Und
dann sind wir auch wieder an dem Punkt, wo ich mich frage, ob es auch
daran liegt, dass mir die vage Idee meiner Vorstellung zu bewahren,
dass sie so ticken könnte wie ich, vielleicht lieber ist, als die
Gewissheit, dass doch nicht, und erneut auf die Nase zu fallen...
Ja, und an der Stelle reißt mich dann
tatsächlich das Unvermeidliche aus meinen Gedanken: Zack! Das Licht
ist aus. Die letzte Sicherung im Haus ist abgeraucht. Das war's. Ab
jetzt haben wir kein Licht mehr. Und kein warmes Wasser, weil der
Boiler ohne Strom keinen Zündfunken hat. Ach, und übrigens auch
kein Telefon, wie mir gerade einfällt.
Aus dem Nachbarzimmer ertönt ein
frustrierter Schrei, und danach Schluchzen. Seufzend greife ich nach
der bereit liegenden Taschenlampe, und erhebe mich.
Katharina
Es ist kalt hier herinnen,
abartig kalt. Und stockfinster. Aber das ist grad weniger mein
Problem. Also schon an sich das krassere Problem, aber aktuell
beschäftigt mich das andere mehr.
Ich habs verkackt, sind
wir ehrlich. Die Chancen stehen locker 90 zu 10, dass ich es verkackt
habe. Womöglich eher 95 zu 5 nach dem, was ich ihm noch an den Kopf
gedonnert hab. Wenn ich mich einfach mal beherrschen lernen könnte.
Wobei das halt aber auch wieder ein spezielles Max-Problem ist, denn
an sich werde ich immer besser darin, einfach mal gechillt zu
bleiben. Nur halt nicht bei ihm. Er bringt mich einfach zum
Ausrasten. Sicher und Garantiert. Und sind wir mal ehrlich, das hat
halt seinen Grund. In der Vergangenheit. Aber halt nicht nur. Es
liegt auch daran, wie er aussieht und wie er redet und an seinem
Geruch. Und wie gut mir das alles gefällt. Das ist das, was mich bei
ihm so empfindlich macht. Und deshalb wurmt mich die
95%-Wahrscheinlichkeit, obwohl ich grad stinksauer auf ihn bin. Und
deshalb hoffe ich auch irgendwie immer noch auf die 5%.
Es klopft an der Tür.
„Katharina, darf ich
kurz reinkommen?“
„Tür is eh offen“,
knurre ich zurück.
Kaum hat er die Tür
aufgemacht, hör ich ihn scharf nach Luft schnappen.
„Scheiße, ist das immer
noch kalt. Katha, ich wollte mich eigentlich bei Dir entschuldigen,
und fragen, ob wir nochmal über alles reden können, das hier ist
doch komplett idiotisch. Ich weiß, Du bist stocksauer auf mich, und
ich bin auch noch sauer auf Dich. Aber das ist jetzt ne echte
Krisensituation hier, und da sollten wir schaun, dass wir
zusammenhalten. Komm einfach mit. Diskutieren können wir drüben im
Warmen genauso. Komm jetzt raus! Ich lass Dich keine Minute länger
in diesem scheiß Kühlhaus hier!“
Tja, was soll ein Mädchen
machen? So eine charmante Einladung kann man einfach nicht
ausschlagen. Und er hat ja Recht.
Zehn Minuten später ist
die Welt dann wieder in Ordnung. Ich meine, eben hab ich mich noch
total allein und bis auf die Knochen schockgefrostet gefühlt, aber
jetzt wir liegen zu zweit auf seinem Bett, zusammen unter seiner
Decke. Ich liege auf der Seite, mit dem Rücken zu ihm. Er liegt von
hinten an mich gekuschelt, hat mich im Arm, und drückt mich fest an
sich, um mich zu wärmen. Was an sich gar nimmer nötig wäre, aber
sich trotzdem einfach nur gut anfühlt.
Überall im Zimmer hat der
Max Kerzen hingestellt. Fast als ob er am Schluss doch noch sowas wie
eine romantische Ader in sich entdeckt hätte. Und passend zum
schönen warmen Licht und der schönen warmen Luft, scheint er selber
auch endlich aufgetaut zu sein. Wir unterhalten uns jetzt schon ein
paar Minuten ganz lieb, und er entschuldigt sich sogar bei mir. Der
Max. Bei mir.
„Tut mir leid, Katha.
Mir wird klar, ich stehe auf Dich, und das heftig. Und als das los
ging irgendwann heute Abend, und ich gemerkt habe, dass Du auch auf
mich stehst, hab ich wohl Panik bekommen. Weißt Du, es wäre schön,
wenn die Welt da einfacher wären. Wenn zwei Menschen, die offenbar
aufeinander stehen, ganz einfach offen sagen könnten, dass sie
aufeinander stehen, ohne Angst, wie der andere reagiert. Oder die
ganzen Leute außenrum. Ich weiß, Du magst das nicht hören, aber
ich kann's nicht ändern, aber die Tatsache, dass wir uns schon so
lange kennen, und dass Du Jules' Schwester bist, macht das alles
wirklich nicht einfacher.“
Er lässt mich los, und
dreht sich auf den Rücken. Bleibt aber an mich geschmiegt.
„Für mich auch nicht.
Ich kenne Dich ja genauso lang.“
Ich drehe mich zu ihm,
lege jetzt meinen Arm um seinen Oberkörper.
„Aber ich gebe zu, für
mich ist das nicht so neu. Ich muss Dir glaub ich was gestehen. Ich
steh halt echt schon länger auf Dich. Immer mal wieder.“
„Ja, das ist mir jetzt
auch klar geworden. Erklärt so einiges im Nachhinein. Aber was mir
halt echt auch Angst macht, ist die Frage, wo das hier hinführen
wird. Also gut, wir haben geklärt, dass wir aufeinander stehen, und
ich muss sagen, dass mir die Idee gefällt. Aber wohin entwickelt
sich das? Die Umwelt ist ja spätestens ab morgen oder so wieder
relevant. Und Du weißt, dass ich bald nach Berlin ziehe?“
„Ach, Max, da können
wir uns immer noch den Kopf drüber zerbrechen, wenn es soweit ist.
Lass es einfach zu, das Gefühl. Ist doch ein schönes Gefühl.“
Wenn es auf Gegenseitigkeit beruht, füge ich in Gedanken dazu. „Und
da ist noch was, Max. Ich hab da gar an sich gar keine große Angst
vor, weil ich kenne Dich, und ich weiß ein bisschen was über Dich,
und darum weiß ich auch, dass das hier gut werden kann, wenn wir uns
nur traun.“
„Hmmm, was weißt Du
denn? Geht es hier schon wieder um Steffie?“
„Max, hier gehts nurmehr
um Dich und mich, ich dacht, des hätten wir geklärt.“
Bevor er schon wieder was
Dummes sagen kann, rutsche ich ein Stück an ihm hoch, und küsse ihn
direkt auf die Lippen. Seine Verblüffung dauert nur einen winzigen
Moment, dann packt er mich mit beiden Armen, zieht mich ganz fest an
sich heran, und erwidert den Kuss mit einer Leidenschaft, die ich ihm
gar nicht zugetraut hätte. Unsere Lippen öffnen sich, unsere Zungen
berühren sich, und in meinem Bauch explodiert eine Supernova.
Mittlerweile sitze ich auf
ihm. Wir küssen uns wieder und wieder, und immer heftiger. Und er
ist ein sensationeller Küsser. Seine linke Hand hat schon ihren Weg
unter meinen Pulli gefunden, und ich spüre sie heiß auf der Haut
meines Rückens.
Zeit, die Dinge mal auf
die Zielgerade zu steuern hier. Ich setze mich auf, und schaue ihm
direkt in seine Augen.
„Ist schön hier mit
Dir, Max. Ich hoffe, Du kommst jetzt nicht auf die Idee, die Notlage
eines Mädchens irgendwie ausnutzen zu wollen“, sage ich neckisch.
Er zieht seine Hand
zurück, die sich so langsam und vorsichtig ein paar Zentimeter unter
meinen Pulli vorgearbeitet hatte.
Und wirkt recht verdutzt:
„Also ganz ehrlich, Katha, ich werde echt nicht schlau aus Dir.“
Ich packe meinen Pulli am
Bund, und ziehe ihn demonstrativ langsam über meinen Kopf. Ich
schlüpfe heraus, und schmeiße das Teil aus dem Bett. Er liegt ja
hier schon in Unterwäsche rum. Zeit, sich ein bisschen anzupassen.
Also schrittweise halt.
Ich sitze also immer noch
auf ihm. Mittlerweile obenrum nur noch im BH. Es ist ein schöner BH.
Hab ich extra für ihn angezogen. Eins meiner Lieblingsteile. Auch
weil er perfekt passt, und das, obwohl ich so eine komische
Zwischengröße hab. 75B ist zu klein, bei 75C sind die Körbchen zu
groß, und bei 80B schlackern die Träger. Dazu sieht er einfach nur
verschärft aus. Anthrazit mit kleinen hellgrauen Punkten darauf. Mit
weißer Spitze oben. Und dezenten Push-Up-Polstern. Der Clou ist das
kleine Schleifchen vorne. Natürlich trage ich ein passendes Höschen,
aber das kann er noch nicht sehen. Dafür schaut er sich den BH recht
genau an. Findet offenbar seine Zustimmung das Ding. Er packt mich im
Nacken, aber sanft, und zieht meinen Kopf wieder zu sich heran. Wir
küssen uns wieder. Seine andere Hand streichelt jetzt frei über
meinen Rücken. Und erzeugt eine neue Gänsehaut dabei. Er lässt
sich wirklich Zeit, der Herr. Und an sich ist das ja eine gute Sache,
aber irgendwie habe ich das Gefühl, da geht noch mehr, aber der Max
steht immer noch auf der Bremse. Ich helf ihm mal besser auf die
Sprünge.
Als er kurz seine Lippen
von meinen löst, um Luft zu holen, beuge ich mich weiter vor, und
hauche ihm ins Ohr: „Weißt Du, Max, Du küsst wirklich gut. Aber
eine Sache musst Du schon noch lernen. Wir Frauen mögen Gentlemen an
sich. Wirklich. Aber es ist doch auch so: Was wir noch mehr mögen
als alles Andere, ist ein Gentleman, der weiß, wann es Zeit ist,
nicht mehr gentle zu sein, sondern einfach nur noch ein Mann.“
„Du böses Mädchen!“,
flüstert er zurück, und klatscht mir mit der Hand einmal kräftig
auf den Po. Das bringt die Schmetterlinge in meinem Bauch wieder so
richtig zum Looping-Schlagen. Noch einmal klatscht es, dieses mal auf
die andere Pobacke.
„Hmmm, Du verstehst eh,
was ich sag.“, gurre ich ihm ins Ohr.
Daraufhin fährt seine
Hand an meinem Rücken nach oben, und kommt auf dem Riemen meines BHs
zum liegen.
„Ja, Max. Ein Mann. Der
weiß, was er will. Und weiß, wie er kriegt, was er will.“
„Wirklich?“ Antwortet
er, und öffnet gekonnt mit einer Hand den Verschluss. Ich bin ein
kleines bisschen beeindruckt. Mein Ex hat sich da immer einen
abgebrochen, wenn er versucht hat, die Schnalle zu öffnen.
„Hat die Steffie Dir das
beigebracht?“, frage ich frech.
„Kein Kommentar“,
Mittlerweile hat er mich ganz aus dem Ding befreit. „Wow!“, fügt
er hinzu, als ich mich aufrichte, und ihn sehen lasse, was er da
ausgepackt hat. Er greift auch gleich zu, und das genau so gut wie er
küsst. Seine Finger fassen mich an meinen Seiten, die Handflächen
stützen meine Brüste leicht, und die Daumen schmiegen sich sanft an
meine Nippel, die sofort stramm stehen.
Er streichelt mich dort,
und es fühlt sich einfach so gut an.
„Ja, Max, und so ein
Mann, der kann heute Nacht alles von mir haben. Er kann mit mir
machen, was er will.“
Er richtet sich nun
seinerseits auf, so dass ich jetzt ihm zugewandt auf seinem Schoß
sitze. Seine Hände lassen meine Brüste los. Seine Rechte greift
mich wieder im Nacken, und drückt mich an sich. Dann beugt er sich
runter, und flüstert mir ins Ohr.
„Katha, ich weiß nicht,
ob Du weißt, was Du da sagst. Alles mit Dir machen, was ich will?
Ich bin ehrlich gesagt immer noch ein kleines bisschen böse auf
Dich, und es könnte sein, dass es Dir vielleicht gar nicht so
gefällt, wenn ich das mit Dir mache, was mir da gerade durch den
Kopf geht. Was ich am Liebsten machen würde. Was ich schon lang
hätte machen sollen mit Dir.“
„Wirklich? Und was wäre
das?“ Ich habe inzwischen glaube ich eine ganz gute Idee, worauf
das hinaus laufen könnte, und die Aussicht macht mich mindestens so
heiß wie sie mich nervös macht.
„Oh Mann, Katha. Ganz
ehrlich. Ich würde Dich jetzt am Liebsten übers Knie legen. Und Dir
ordentlich den Hintern versohlen. Für die Nummer mit dem offenen
Fenster! Und die ganzen anderen Zickereien von Dir.“
„Dann mach halt.“
„Wirklich? Wenn ich
damit anfange, mach ich's richtig, ich warne Dich. Dann gibt's keine
halben Sachen...“ er zögert kurz. „Dann.. kommt die Hose runter.
Und dann... Da hat sich einiges angestaut, meine Liebe. Mit ein paar
Klapsen lass ich Dich nicht davon kommen.“
Das ist der Moment. Der
Moment der Wahrheit. Er hat seine Karten auf den Tisch gelegt. Jetzt
bin wohl ich am Zug. Ich habe immer davon fantasiert, dass jemand
genau das mit mir macht. Dass er das mit mir macht. Aber ich habe
keine Ahnung, ob es mir in der Realität gefällt. Ein Teil von mir
will empört aufspringen, ihm ordentlich eine kleben, und dann aus
dem Zimmer stürmen. Ein anderer Teil will sich in der Zimmerecke
verkriechen, aber der lauteste und stärkste Teil schreit ein Stummes
„Mach doch endlich hinne, Du Lahmarsch.“ Bin ich froh, dass er
die Kakophonie meiner inneren Stimmen nicht hören kann.
Aber es ist wohl so, auch
wenn ich es am Liebsten hätte, dass er jetzt einfach macht, mich
packt, mich über seinen Schoß zieht, und loslegt, braucht er von
mir jetzt irgendeine Form von gezeigtem Einverständnis. Was ich
total verstehen kann, weil das ja gegen jedes erlernte Verhalten
geht, wie man eine Frau anständig behandelt. Aber für mich ist das
der schwerste Schritt des heutigen Abends. Weil ich aktiv werden
muss, damit er aktiv werden kann.
Ich hole tief Luft und
piepse: „Wenn Du meinst, dass ich es verdient habe“, und hoffe
nur, er hört die Ungeduld nicht heraus in meiner Stimme.
Wieder wirkt er kurz
verblüfft über meine Reaktion, aber erneut fängt er sich schnell,
und übernimmt direkt die Initiative. Was gut ist, weil der Teil in
mir, der „Wegrennen!“ schreit, ist immer noch nicht ganz still.
Und so kommt es, dass ich
mich kaum einen Augenblick später, ohne wirklich mitbekommen habe,
wie es genau passiert ist, quer über seinem Schoß liegend wieder
finde, meinen Po einladend in die Höhe gereckt.
Und bevor ich richtig
weiß, was hier gerade passiert, klatscht seine Hand schon das erste
Mal auf meinen Hintern. Und wenn ich klatschen sage, meine ich es
auch so. Das Geräusch schreckt mich fast mehr auf, als das subtile
Brennen, das nach dem Klaps kommt. So schlimm wird es also vermutlich
nicht werden, denke ich mir, als mich der nächste Klatscher trifft.
Und nach dem dritten oder vierten werden mir zwei Sachen klar.
Erstens ist jeder Klaps bisher fester gewesen als der davor, so als
ob er sich auch erst ran tasten muss, und zweitens, dass ich immer
noch meine Hose anhabe, was ja aber halt nicht so bleiben wird, wie
er angekündigt hat. Ich weiß nicht, wie viel so eine Skinny-Jeans
abhält, aber ich nehme mal an, auf dem nackten Hintern wird es dann
schon ein bisschen mehr weh tun.
Ich habe seine Klapse
nicht mitgezählt, aber es dauert nicht lang, bis er eine kurze Pause
einlegt, die er nutzt um mir den Po zu streicheln. Welcher
mittlerweile doch einigermaßen brennt.
„O.k., steh auf, Katha.
Ich habe Dich gewarnt, dass die Hose runter kommt.“
Seine Stimme klingt jetzt
so, dass ich gar nicht anders kann, als zu gehorchen. Ich stehe vor
ihm neben dem Bett. Er greift nach meinem Hosenbund, und öffnet den
Knopf ebenso gekonnt wie vorhin meinen BH-Verschluss. Dann zieht er
den Reißverschluss runter. Max sitzt jetzt vorne an der Bettkante.
Ich will unbewusst einen Schritt zurück machen, weg von ihm, aber
das hat er wohl kommen sehen, und packt blitzschnell mit seiner
linken Hand mein rechtes Handgelenk.
„Oh nein, meine Liebe,
ich bin noch lange nicht fertig mit Dir. Komm her.“
Unnachgiebig zieht er mich
zu sich her und zwingt mich wieder über seinen Schoß. Nur ist es so
noch demütigender. Vorher auf dem Bett war es fast gemütlich zum
Liegen. Aber so kann ich mich nurmehr mit den Armen an den Dielen auf
dem Fußboden abstützen. Meine Beine hängen in der Luft, und mein
Hintern ist noch mehr hochgereckt als in der Position vorher. Da
spüre ich, wie er anfängt, mir die Hose, die er eben geöffnet hat,
ganz runter zu ziehen. Und ich kann gar nicht anders als Zappeln.
Aber damit hat er wohl gerechnet. Als mein rechter Arm nach hinten
fährt, um die Hose am Bund fest zu halten, fängt er ihn wieder mit
seiner linken ab, und dreht ihn mir auf den Rücken. Nicht soweit,
dass es weh tut, aber weit genug, um mich völlig hilflos zu machen.
„Unartig“, sagt er
nur. „So oder so, die Hose kommt runter. Und wenn Du weiter so
einen Aufstand machst, kommt das Höschen gleich mit runter. Haben
wir uns verstanden, Katharina?“
So kann ich nicht
verhindern, dass er mir die Hose langsam bis zu den Knien herunter
zieht.
„Wow“, höre ich ihn
wieder. Ich spüre, wie seine Hand über meine jetzt großteils
nackten Pobacken streichelt, die der Tanga hinten frei lässt.
Fast klingt ein
mitfühlender Unterton mit, als er sagt: „Das eben war nur das
Aufwärmen. Jetzt werde ich Dir zeigen, was ich von Deiner tollen
Idee mit dem offenen Fenster halte.“
Und damit geht es wieder
los. Auf dem nackten Po fühlt es sich wirklich noch einmal ganz
anders an. Viel intensiver. Es klingt auch anders. Aber nicht weniger
laut. Was bin ich froh, dass außer uns kein Mensch hier heroben ist,
das Klatschen scheint mir, muss man im halben Tal hören können. Ich
weiß nicht, ob es daran liegt, dass es jetzt auf den Nackten gibt,
oder ob er noch mal etwas fester zuhaut als vorhin, aber inzwischen
tun seine Hiebe echt ein bisschen weh. Und ich kann nicht anders als
auf seinem Schoß rum zu zappeln. Allerdings hält er mich weiterhin
fest in Position, während er nicht aufhört, mir den Hintern zu
versohlen. Das geht eine ganze Weile, aber ich halte tapfer durch.
Ist jetzt nicht so, als ob ich keinen Laut von mir geben würde, aber
die Genugtuung, mich weinen, oder ihn am Ende gar anbetteln zu hören,
geb ich ihm nicht.
Nach ein paar Minuten
hören die Hiebe wieder auf. Als seine Hand dann erneut über meinen
Po streichelt, spüre ich wie ein alles andere als unangenehmes
Schaudern durch meinen ganzen Körper läuft. Und ist das etwa mein
eigener Atem, den ich hier so laut höre?
„Weißt Du Katharina,
mir geht da gerade etwas durch den Kopf. Das ist ein hübsches
Höschen. Und passt zum BH, hab ich Recht? Du trägst ein Set
passender Unterwäsche, ich weiß, was das heißt. Ich glaube nicht,
dass Du Dich vorhin im kalten Zimmer nochmal ungezogen hast. Kann es
sein, dass Dir die Idee, mich ins Bett zu bekommen, vielleicht doch
schon etwas früher gekommen ist?“
„Kein Kommentar“,
erwidere ich.
„Hmm, das erklärt auch,
warum Du vorhin so lange geduscht hast.“
Seine Hand fährt meine
Oberschenkel entlang nach unten. Er greift nach meiner Hose und
schiebt sie bis zu den Knöcheln.
„Du hast Dir die Beine
rasiert, stimmt's?“
„Das hat nichts zu
sagen“, protestiere ich.
„Vielleicht nicht. Aber
trotzdem hast Du das ganze warme Wasser verbraucht, und ich musste
deswegen kalt duschen!“
„Oh.“ Daran hatte ich
tatsächlich nicht gedacht.
„Fandest es wohl lustig,
die Vorstellung, wie ich unter der kalten Dusche stehe?“
„War keine Absicht,
ehrlich! Hab ich echt nicht dran gedacht.“
„Weißt Du was? Das
glaube ich Dir sogar. Ist ja nicht so, dass Du den Boiler schon seit
Jahren kennst, und weißt, wie schnell das warme Wasser verbraucht
ist, und wie lange es dauert, bis wieder welches da ist. Aber Dir ist
das egal. Hauptsache, Du kannst ausgiebig duschen, und Dir in aller
Ruhe die Beine rasieren!“
„Ich wollte halt hübsch
für Dich sein, Au!“
Und damit geht es wieder
los. Der erste hat mich überrascht, aber er findet schnell in seinen
Rhythmus zurück, langsamer jetzt als vorhin, aber dafür gezielter
irgendwie. Das Klatschen ist satter geworden, und das Brennen
großflächiger. Ich liege immer noch hilflos über seinem Schoß,
und präsentiere ihm den fast nackerten Hintern als bequemes Ziel
seiner Strafmaßnahme.
Und meine Gefühle sind
mehr als zwiespältig dabei. Natürlich tut es weh, wie er mir den
Hintern verhaut. Aber nicht so arg, dass man es nicht aushalten
würde. Irgendwo finde ich auch, sowas darf er nicht, es gehört sich
nicht. Und es ist furchtbar demütigend. Aber dann ist es auch so,
dass ich ja genau das gewollt hab, und das schon echt ne ganze Weile.
Ich hab immer wieder davon fantasiert. Und gerade der Max war ganz
oft derjenige, der es halt gemacht hat mit mir in der Fantasie. Ich
habe also gewonnen, könnt man sagen. Ich habe bekommen was ich
gewollt hab. Meine Pläne sind aufgegangen im Nachhinein, Alle. Oder
fast alle zumindest. Und auch wenn das Klatschen und das Brennen von
hinten her gerade das Gefühl ist, was total im Vordergrund ist,
spüre ich wie ich so auf seinem Schoß rumzappele unter mir ein
deutliches Zeichen, dass es ihm sehr gut gefallen muss, was er da mit
mir macht. Und so geh ich mal davon aus, dass ich später noch in den
vollen Genuss seiner Aufmerksamkeit kommen werde, was ja der
eigentliche Plan für den Abend war.
Und auch das ist natürlich
Teil vom Korb der gemischten Gefühle. Er ist spürbar erregt, aber
fragt mich mal. Ich glaube, ich war in meinem ganzen Leben noch nie
so scharf wie jetzt gerade. Und jeder neue Klatscher hinten drauf
bringt mein Becken dazu, sich vorn im Rhythmus an ihm zu reiben.
Ich frage mich gerade, ob
ich mir wünschen soll, dass er mir den Tanga auch noch auszieht, das
würde sich gleich noch unartiger anfühlen. Und schärfer. Und noch
demütigender, weil er dann kaum mehr übersehen könnte, wie mein
Körper auf diese Bestrafung reagiert. Wobei mir das seit ich seinen
Ständer unter mir spüren kann, eh nicht mehr peinlich sein müsste.
Und so unvermittelt wie
das erste Spanking meines Lebens angefangen hat, hört es wieder auf.
Max atmet schwer. Er streichelt jetzt meine Pobacken wieder anstatt
drauf zu hauen.
„Ich hoffe, das war Dir
eine Lehre“, sagt er. Und dann hilft er mir auf die Beine, und
keine drei Sekunden später liegen wir eng umschlungen auf dem Bett.
Er auf dem Rücken, ich mit meinem Kopf auf seiner Brust. Er
streichelt mich, ich kuschele mich an ihn. Mir dreht sich irgendwie
noch alles von dem, was gerade passiert ist, so wuschig bin ich.
„Wow!“, sag ich so
daher, „Jetzt weiß ich, was die Steffie gemeint hat.“
„Hm? Was meinst Du
Katha?“
„Naja, ich habe mal
gehört, wie sie rum erzählt hat, wie Du halt dominant sein kannst,
und wie gut ihr das gefällt. Hast Du sie oft 'übers Knie gelegt'?“
Habe ich was Falsches
gesagt? Seine Hände, die mich eben noch gestreichelt haben, halten
plötzlich still.
„Oh Mann Katha. Willst
Du jetzt echt wieder über Steffie reden? Jetzt? In der Situation?
O.k., nein. Wenn Du es wissen musst, das eben war für mich das erste
mal, dass ich ein Mädchen 'übers Knie gelegt' habe. Steffie wollte
das nicht. Sie fand die Idee abartig. Und genaugenommen ist das
letztlich auch der Grund gewesen, aus dem wir uns getrennt haben. Sie
fand die Vorstellung, dass ich auf sowas stehe, unheimlich. Als ich
es ihr erzählt habe, war plötzlich diese schöne vertraute
Lockerheit zwischen uns weg, die uns vorher ausgemacht hat. Und die
ist auch irgendwie nie wieder zurück gekommen. Plötzlich war immer
alles, was mit Sex zu tun hatte, irgendwie überschattet. Sie hatte
glaube ich ein bisschen Angst davor, dass ich mich irgendwann nicht
mehr beherrschen kann, und gewalttätig werde. Und dann war da noch
das Gefühl, mir etwas nicht geben zu können, was für mich aber
total wichtig ist. Was sie von einem Teil meines Lebens
ausgeschlossen hat. Und leider hat das auch gestimmt. An dem Punkt
war mir klar, dass sie nicht die ist, mit der ich 100% glücklich
werden kann, weil diese Bedürfnisse ja irgendwann irgendwie
ausgelebt werden wollen. Und Du ahnst gar nicht, wie gut mir das eben
getan hat.“
O.k., es stimmt, Im Moment
hätte es um uns beide gehen sollen, und nicht um Steffie. Trotzdem
bin ich gerade alles andere als angefressen, dass er so viel von ihr
redet. Denn das war glaub ich das Ehrlichste, was er mir je gesagt
hat. So nah hat er mich noch nie an mich ran gelassen. Vielleicht
sollte ich die Klappe halten jetzt, und einfach still genießen, wie
es weiter geht. Aber ich bin halt immer so verdammt neugierig.
„Hmmm, Max, mir hat das
eben auch gut getan glaube ich. Aber darf ich Dich noch was fragen
wegen Steffie. Ist das letzte mal für heut, versprochen.“
Er lässt ein gespielt
genervtes Stöhnen hören. „Frag.“
„O.k., also ich habe
damals eben zufällig mit angehört, wie sie gesagt hat, da gibt es
etwas besonderes, was Du mit ihr machst, und was sie total genial
fand. Ähm... Magst Du's mir erzählen?“
„Nein, Katha. Werde ich
nicht. Ich weiß was Besseres. Wie wäre es, ich zeig es Dir einfach?
Und dann geht's ab jetzt den Rest der Nacht nur noch um uns beide,
o.k?“
Das ist glaube ich das
Klügste, was er heute gesagt hat. Natürlich will ich, dass er mir
das zeigt. Keine drei Minuten später hat er aus der Kommode im
Zimmer ein paar alte Schals besorgt. Ich liege auf dem Rücken mittig
auf dem Bett. Mit je einem Schal hat er mir die Handgelenke am
Bettgestell festgebunden. Mit dem dritten Schal verbindet er meine
Augen. Nach dem Spanking eben war ich so heiß auf ihn, kaum zu
glauben, dass er es noch toppen kann. Jetzt, als er mich zunächst
noch einmal leidenschaftlich auf den Mund küsst, und dann langsam
mit den Lippen an meinem nackten Körper nach unten fährt, meinen
Hals, meine Brüste, meinen Bauch mit Küssen bedeckt, und
schließlich kurz unter meinem Bauchnabel stehen bleibt, jagt ein
Lust-Schauer den nächsten.
Ich spüre, wie er seine
Zeigefinger unter dem Bund meines Höschens einhakt, und ganz langsam
anfängt, es hinunter zu ziehen. Er lässt sich Zeit damit, zieht es
Schritt für Schritt aus. Und so lieg ich schließlich komplett nackt
vor ihm. Mit gespreizten Armen ans Bett gefesselt. Mit verbundenen
Augen. Ausgeliefert und wehrlos. Nicht, dass ich mich gerade
irgendwie gegen irgendwas hätte wehren wollen, aber es ist trotzdem
ein unfassbar geiles Gefühl, dass ich es dann auch nicht gekonnt
hätte.
Jetzt sind seine Hände an
meinen Schenkeln und er spreizt langsam, aber unnachgiebig auch meine
Beine. Ich spüre, wie er sich zwischen ihnen nieder lässt. Und
stöhne überrascht auf, als er mit dem Küssen dort fortfährt, wo
er eben aufgehört hat, und Sekunden später seine Lippen meine
intimste Stelle berühren. Mag sein, dass die Steffie das anders,
direkter ausdrücken könnte, was dann passiert. Für mich war auch
das das erste mal. Mein Exfreund wollte das nie machen. Aber dass es
für den Max nicht das erste Mal ist, spürt man sofort. Er weiß
nämlich ganz genau, was er da tut. Er leckt mit der Zunge über
meine Öffnung, erst ganz ganz leicht, dann zunehmend fordernder.
Aber dabei belässt er es natürlich nicht. Er weiß, welche Knöpfe
er drücken muss. Uns so dauert es nicht lange, bis seine Zunge ein
bisschen nach oben gewandert ist, und beginnt, über eben genau jenen
Knopf zu fahren, der sich noch ganz schüchtern vor ihm in seiner
kleinen Höhle versteckt. Das Gefühl ist unbeschreiblich, und jagt
neue Wellen der Erregung durch meinen Bauch und den ganzen Körper.
Das nimmt er wohl als
Signal, richtig loszulegen. Ich spüre, wie mit zwei Fingern ganz
vorsichtig das kleine Häutchen auseinander zieht. Jetzt liegt meine
Klitoris frei, was seine Zungenspitze sofort ausnutzt. Von unten nach
oben leckt er langsam darüber, und ich bin schon wieder froh, dass
kein anderer hier heroben ist, der hören kann, was hier gerade
passiert. Mein Ex hat mal gemeint, es wäre schön, wenn ich im Bett
mal ein bisschen lauter wär. Tja, hättest Du mal sowas hier mit mir
gemacht, dann hättest mich aber Hecheln und Stöhnen hören können.
Und sogar schreien - als Max plötzlich zwei Finger der anderen Hand
in mich hinein gleiten lässt. Dann bewegt er sie raus und rein,
immer schneller, in dem gleichen Rhythmus, mit dem seine Zunge mich
verwöhnt. Ich winde mich, versuche mich aufzubäumen in meinen
Fesseln, ich presse meine Schultern gegen das Bett und recke
gleichzeitig mein Becken dem Max entgegen.
Der Orgasmus, der dann
recht schnell kommt, lässt alles, was ich bisher gespürt habe, wie
einen Schluck lauwarmes abgestandenes Wasser erscheinen. Beginnt in
meinem Lustzentrum unter Max' Zunge, und breitet sich über den Bauch
durch den ganzen Körper aus. Eine Welle jagt die nächste. Ich hab
gestöhnt, geschrien, geschimpft, und zuletzt gebettelt.
Und dann liege ich da,
immer noch auf dem Rücken, immer noch gefesselt, immer noch mit der
Augenbinde, und ringe nach Luft. Das war wirklich der Hammer. Ich
habe heute zwei Dinge bekommen, die ich mir lange gewünscht habe.
Von dem Mann, von dem ich oft geträumt habe. Und doch, als sich mein
Atem langsam beruhigt, spüre ich, dass mir etwas fehlt. Klingt
vielleicht komisch, ich weiß, aber es sind sogar zwei Sachen.
Viele Jahre später, als
ich dann auch ein Wort für diese Vorlieben hatte, als ich dann auch
angefangen habe, mich ein bisschen genauer damit auseinander zu
setzen, hab ich irgendwann das Internet entdeckt als meine
unversiegbare Quelle für unartige Informationen. Und so bin ich über
den Satz gestolpert, der mein Dilemma hier auf den Punkt bringt: „Ein
richtiges Spanking fängt da an, wo man eigentlich nur noch will,
dass es aufhört.“
Wie gesagt, hier und jetzt
kenne ich den Satz noch nicht, aber da ist das Gefühl, dass etwas
fehlt. Das Spanking hat schon ein bisschen weh getan, und es hat mich
unfassbar scharf gemacht. Aber es hat sich zu keinem Zeitpunkt
angefühlt wie eine Strafe. Ich hab's mir tatsächlich eigentlich auf
eine Art weniger schmerzhaft vorgestellt, aber auf eine andere Art
irgendwie tiefer gehend. Vielleicht war's auch so, dass ich ja
jederzeit stopp hätte sagen können, und der Max sofort aufgehört
hätte. Insgesamt war es so, dass es sich angefühlt hat, als würden
wir mehr Spanking spielen, als es ernsthaft tun. Und das war schon
der Part, der mich so scharf gemacht hat, aber halt mehr an der
Oberfläche. Mir ist eh klar, dass der Max natürlich auch erst mal
vorsichtig ran gegangen ist. Weil es für uns beide neu war. Und
dafür bin ich ihm auch total dankbar. Trotzdem spüre ich, dass
dieses erste Spanking so geil es war, irgendwie halt kein richtiges
Spanking war. Und dass ich immer noch gerne wissen würde, wie es
sich anfühlt, wenn es ein Richtiges gibt.
Das andere ist, dass ich
ihn jetzt will. Und zwar richtig. Das, was er mit seiner Zunge
gemacht hat, war unfassbar gut. Aber es war einseitig. Ich will ihn
in mir spüren. Jetzt. Ich will spüren, wie er mich will. Wie er
mich nimmt. Und wie ihm das auch gefällt, vor Allem. Ich will jetzt
seine verdammte Leidenschaft spüren und hören. Und zwar seine pure
Leidenschaft für mich, und nicht für sein erstes Spanking. Und ich
will auch, dass er für mich, mit mir, wegen mir kommt.
„Alles o.k. bei Dir,
Katha?“, fragt er? „Bist Du etwa eingeschlafen?“ Vermutlich
weil ich so still war. Er greift nach meiner Augenbinde, und
plötzlich wird es wieder hell.
„Nein, Ja, alles gut,
ich schlafe nicht“, sage ich. „Nicht, lass“, füge ich schnell
hinzu, als ich merke, wie er mir auch die Arme losbinden will. „Noch
nicht. Max. Mein Max, bitte...“ Ich hole tief Luft, um es über
meine Lippen zu bringen, wie es die Steffie wohl gesagt hätte: „Fick
mich. Genau so. Steck ihn endlich rein in mich. Ich will Dich jetzt,
ganz.“
Er seufzt. „Ich Dich
doch auch. Mehr als irgendwas auf der Welt. Es ist nur...“
Wenn er jetzt wieder mit
der Geschichte von vorhin und meinem Bruder und so anfängt, erwürge
ich ihn heut Nacht, ich schwör es. Aber das ist es wohl nicht. Er
macht ein echt bedröppeltes Gesicht.
„Ach, Katha, ich kann
nicht. Ich hab keine Kondome hier. Ich habe nicht damit gerechnet,
dass ich welche brauchen würde. Und ohne geht halt gar nicht.“
„Max, das ist kein
Problem“, lache ich. „Ich hab welche bei mir drüben im Zimmer.
Die sind in der mittleren Schublade von der Bauernkommode. Die sind
noch von meinem Ex.“
Da grinst er, der Max.
„Alles klar. Nicht weglaufen. Bin gleich wieder da.“
Und als ich Max'
beeindruckende Silhouette im Türrahmen sehe, mit der Taschenlampe in
der Hand auf dem Weg in mein Zimmer nebenan, muss ich kurz grinsen,
wie meine Pläne am Ende halt doch aufgegangen sind, und sogar besser
als ich erst gedacht hab. Als mir plötzlich siedend heiß etwas
einfällt. In der mittleren Schublade der Kommode sind halt nicht nur
die Kondome. Das ist meine Wäsche-Schublade. Und neben meiner
Unterwäsche liegt da noch etwas anderes. Etwas, das ich vorhin mal
vorsorglich dort deponiert habe.
Was mein Max vermutlich
kaum übersehen kann, trotz der Dunkelheit. Und richtig. Keine zwei
Minuten später ist er wieder da. Und schaut gar nicht mehr so
glücklich aus wie eben. In der einen Hand hat er eine Packung
Kondome. Und in der anderen einen kleinen Haufen grauer
flaschenförmiger Keramikteile mit Metallkappe. Ich merke, wie er
sich bemüht, ganz ruhig zu atmen, als er sagt:
„Katharina, hättest Du
vielleicht die Güte, mir zu erklären, wie diese fünf
Ersatzsicherungen in der Schublade in Deinem Zimmer gelandet sind?
Die Sicherungen, von denen ich mir ziemlich sicher bin, dass sie in
der Küche hätten liegen sollen? Die Sicherungen, wegen denen wir
seit ner Stunde ungefähr schon kein Licht mehr im Haus haben? Die
Sicherungen, von denen Du mir vorhin noch erzählt hast, Du hättest
mir die Letzte gegeben? Direkt nach dem Telefonat mit Deinem Bruder?“
„Kein Kommentar“,
antworte ich ihm.
Ich liege immer noch nackt
auf seinem Bett, immer noch gefesselt. Sonst hätte ich bei dem
Blick, den er mir jetzt zuwirft, vermutlich fluchtartig das Zimmer
verlassen. Und als ich sehe, wie er wortlos die Sicherungen und die
Gummis weg legt, sich dann bückt, seine Hose aufhebt, und den dicken
schweren dunkelbraunen Ledergürtel aus den Schlaufen zieht, bekomme
ich eine Gänsehaut. Als er ihn dann doppelt nimmt, und mich mit
leicht zusammengekniffenen Augen anschaut, während er demonstrativ
mit dem Gürtel in seine andere Hand klatscht, läuft mir die
Gänsehaut den Rücken hoch bis zum Nacken. Und ich frage mich, ob
Schritt Eins des Plans wirklich meine brillanteste Idee heute gewesen
ist, und ob ich da nicht ein paar Steine los getreten habe, die mir
gleich ganz bös auf die Füße fallen werden.
Ich weiß nicht, woher er
diese Kraft nimmt, jedenfalls liege ich keine Minute später
bäuchlings auf dem Bett. Unter den Bauch hat er mir ein großes
Kissen geschoben, und meine Arme sind wieder am Bettgestell
angebunden. Nicht, dass ich mich arg gewehrt hätte. Und wo er jetzt
neben mir steht, wieder mit dem Gürtel in der Hand, fühlt es sich
an, als würde ich ihm meinen Po geradezu herausfordernd einladend
entgegen strecken. Mein Po, der sicher noch ganz rot ist von seiner
Hand vorhin. Und es sieht so aus, als ob er diese Einladung
begeistert annehmen wird. Da ist so etwas Neues, Wildes in seinem
Blick.
Irgendwo in den tiroler Alpen. Ein
einsam stehendes altes Haus, schmiegt sich malerisch an einen ringsum
bewaldeten Hang. Es ist dunkel, nur im hölzerne Obergeschoss brennt
ein warmes Licht.
Und es ist gut, dass es so einsam
ist, denn wenn ein zufälliger Beobachter hier oben in der Nähe
gewesen wäre, so hätte er die Geräusche gehört, die trotz der
geschlossenen Fenster aus dem einen erleuchteten Zimmer dringen. Den
zufälligen Beobachter hätten diese Geräusche womöglich sehr
verstört, handelt es sich doch um ein sattes Klatschen wie von
dickem Leder auf nackter Haut. Dazu erklingt die alles andere als
verhaltene Stimme einer 18jährigen, die gerade das
zweifelhafte Vergnügen ihres allerersten _richtigen_
Spankings
erlebt.
Und während der Fokus
der Kamera langsam zurück fährt, und das Haus zu einem immer
kleineren Detail in der beeindruckenden Alpenlandschaft schrumpft,
wird das Lamento immer leiser und leiser und geht schließlich im
gerade wieder einsetzenden Schneegestöber unter, das der Szene einen
wohltuenden Dämpfer und am Ende eine abschließende Weißblende
gewährt.
(c) Nachtmensch